Asien besser verstehen

Die Bürgergemeinde hatte den Asien-Kenner und Diplomaten Hans Jakob Roth eingeladen, um über Gesellschaften des Fernen Ostens zu referieren.

Kennt den Fernen Osten: Hans Jakob Roth lebte jahrelang in China.  Foto: Caspar Reimer
Kennt den Fernen Osten: Hans Jakob Roth lebte jahrelang in China. Foto: Caspar Reimer

Nach Vorträgen von Ulrich Tilgner über den Nahen Osten (2006), Peter Achten über China (2010) und Peter Gysling über Russland (2015) hat die Bürgergemeinde Reinach am Mittwoch vergangener Woche den Asien-Kenner und Diplomaten Hans Jakob Roth eingeladen. Der Abend unter dem Titel «Aktuelle Entwicklung im asiatischen Raum im globalen Kontext» widmete sich nicht konkreten politischen Ereignissen in Fernost, sondern beleuchtete angesichts der Globalisierung die Mentalitätsunterschiede zwischen den westlichen Individualgesellschaften und den Kollektivgesellschaften im asiatischen Raum.

Roth konnte darüber einiges berichten, schliesslich war er über 30 Jahre in Asien als Diplomat tätig, darunter sechs Jahre in Japan, je fünf Jahre in Peking und Schanghai sowie vier Jahre in Hongkong. Es sei sehr wichtig, dass die westlichen Gesellschaften sich mit den Werten anderer Kulturen auseinandersetzten: «Die Zeit, als der Westen sich alleine auf seine Werte berufen konnte, sind vorbei. Es ist deshalb notwendig, dass wir die Kulturen in Asien nicht aufgrund unserer Werte beurteilen, sondern wirklich versuchen zu verstehen, warum es dort anders läuft», so Roth. Politisch betrifft dies etwa die Auslegung der Menschenrechte, die westliche Länder gerne als Druckmittel anwenden: «In Japan oder China steht nicht wie bei uns die Freiheit des Einzelnen an oberster Stelle, sondern die Verpflichtung des Einzelnen gegenüber der Gruppe.» Die Rechte des Individuums, aus denen die Menschenrechte abgeleitet werden, würden in diesen Gesellschaften nicht verstanden: In China oder Japan hat sich die einzelne Person nie so stark von der Gruppe und vom Staat getrennt, wie das in westlichen Gesellschaften im Zuge der Renaissance und Aufklärung geschehen ist.

Harmonie und Nähe

Anschaulich wurde Roth, als er vom Unterschied in der Wahrnehmung von Eigen- und Fremdgruppe berichtete: «Die Unterscheidung zwischen eigener Gruppe und Fremdem ist in Asien viel ausgeprägter als bei uns.» Innerhalb der eigenen Gruppe herrscht untereinander eine grosse Nähe und Harmonie. So würde etwa niemand eine Meinung vertreten, die von jener der eigenen Gruppe zu stark abweicht. Die Kehrseite davon: Alles ausserhalb der eigenen Gruppe wird mehr oder weniger ignoriert und nicht für wichtig befunden. Deshalb sei es für westliche Unternehmer, die sich im asiatischen Raum betätigen, extrem wichtig, eine persönliche Beziehung zu den Mitarbeitern aufzubauen. Diese ist entscheidend, damit sich die Mitarbeiterin, der Mitarbeiter loyal zur Firma verhält.

Ein Leben im Fluss

«In asiatischen Gesellschaften leben die Menschen stärker im Augenblick, sind situativ ausgerichtet», erzählt Roth. «Man redet viel weniger über mögliche Probleme von Morgen, denn dies würde Energie vom Augenblick abziehen.» Das Situative gehe in alle Bereiche hinein, sogar in die Rechtssicherheit: «Passiert ein Unfall, wird nicht nach festen Regeln eine Strafe verhängt, sondern die Situation als Ganzes beurteilt.» Hier können westliche Gesellschaften von jenen aus Fernost einiges lernen, so Roth. Und er sagt: «Es geht nicht darum, zu beurteilen, was besser oder schlechter ist. Es geht nur um das gegenseitige Verständnis.» Dadurch können sich die beiden Kulturen – so unterschiedlich sie auch sind – aufeinander zubewegen.

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