Umfahrung im Gegenwind

Auch in der bürgerlichen Mitte ist die angedachte Teilumfahrung Reinach Süd keineswegs unbestritten, wie eine Podiumsveranstaltung gezeigt hat.

Beispiel eines Tunnelbaus: Kantonsingenieur Drangu Sehu zeigte die unterirdische Strassenlösung in Bulle.  Foto: ZVG
Beispiel eines Tunnelbaus: Kantonsingenieur Drangu Sehu zeigte die unterirdische Strassenlösung in Bulle. Foto: ZVG

Das Auto polarisiert: Für die einen ist es nach wie vor ein Symbol der persönlichen Freiheit und somit unverzichtbar, für die anderen ein Irrläufer in der menschlichen Entwicklung, den es zu überwinden gilt. Zwischen diesen beiden Polen bewegte sich die Diskussion am vergangenen Donnerstagabend im Reinacher Gemeindesaal über die Teilumfahrung Reinach Süd, zu der die Mitte-Parteien BDP, CVP und Grünliberale eingeladen hatten. «Ist es der Preis der persönlichen Freiheit, dass wir heute im Stau stehen?», fragte Thomas Kramer, Moderator und «Wochenblatt»-Chefredaktor, die geladenen Podiumsgäste, unter ihnen Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP) und der Reinacher Gemeindepräsident Melchior Buchs (ebenfalls FDP).

Platz schaffen für das Tram

Überfüllte Strassen sind auch in Reinach ein Thema: Besonders im Bereich der Bruggstrasse, die Reinach mit Dornach verbindet und ausserdem das Gewerbegebiet Kägen erschliesst, sind Staus während der Stosszeiten die Norm. Die vom Kanton geplante Teilumfahrung Reinach Süd, einer L-förmigen Verbindung entlang des südwestlichen Reinacher Siedlungsgebietes, soll dies ändern. Künftig werden – so die Idee – Leimentaler, die auf die A18 gelangen wollen, etwas unterhalb des «Chäppeli» in die neue Strasse einspuren, Reinach um das Fiechtenquartier umfahren und über den sich in Aesch im Bau befindenden Zubringer Pfeffingerring auf die Autobahn rollen. Damit würde nicht nur Reinach vom Verkehr entlastet. Auf der Bruggstrasse würde Platz für eine verlängerte Tramlinie vom Bahnhof Dornach-Arlesheim nach Reinach geschaffen.

Regierungsrätin Pegoraro zerstreute die schlimmsten Befürchtungen der Gegner zur Südumfahrung: «Die Strasse wird auf jeden Fall unterirdisch verlaufen.» Ein Tunnel koste zwar mehr, sei aber eine lohnende Investition. Kantonsingenieur Drangu Sehu legte ausserdem dar, dass das Landschaftsbild beim Bau eines Tunnels nicht beeinträchtigt werde: «Nur die Zufahrten werden zu sehen sein.» Tunnel hin oder her: Der Widerstand aus der Bevölkerung gegen eine weitere Strasse ist beachtlich. Der Fiechtenacker ist ein beliebtes Naherholungsgebiet und würde durch eine neue Strasse – ob unter- oder oberirdisch – zerschnitten und zerstört, warnen linksgrüne Kreise sowie Natur- und Umweltverbände. Mit einer kürzlich dem Kanton überwiesenen Petition haben die Grünen diesen Widerstand unterstrichen. Und die Grünliberalen denken in diesem Zusammenhang gar an eine unterirdische S-Bahn – eine Vision, die auf dem Podium von Jean-Jacques Welz (GLP) nochmals ins Spiel gebracht wurde.

«Es braucht ein Gesamtkonzept»

Während sich Pegoraro dafür aussprach, sowohl den motorisierten Individualverkehr wie auch den öV zu fördern, sagte Gemeinderat Stefan Brugger (CVP): «Der Individualverkehr ist schlicht zu günstig. Ich zahle als Autofahrer nicht für das, was ich verursache.» Einfach immer neue Strassen zu bauen, sei nicht die Lösung. Es müssten für die Bevölkerung Anreize geschaffen werden, vom Auto in den öffentlichen Verkehr umzusteigen, sagte auch BDP-Landrätin Marie-Therese Müller und fügte an: «Es braucht ein Gesamtkonzept für alle Verkehrsträger in der Region.» Ein solches lag mit der Entwicklungsplanung Leimental-Birseck-Allschwil, kurz ELBA genannt, bereits einmal vor. Das Konzept beinhaltete 37 verkehrsplanerische Massnahmen für das untere Baselbiet – eine davon die Teilumfahrung Süd in Reinach. Aufgrund eines Referendums kamen die vorgesehenen Richtplan-Einträge im November 2015 vor die Urne – und wurden verworfen.

Weil nun die Südumfahrung Reinach wieder aufs Tapet kommt, werfen Linke und Grüne dem Kanton Salamitaktik vor. Pegoraro ihrerseits hält den Gegnern Einseitigkeit vor: «Es wird in erster Linie gegen den Autoverkehr geschossen. Dabei war die Tramverbindung zwischen Reinach und Dornach ebenfalls eine ELBA-Massnahme. Aber da sagt niemand etwas.»

Keine ideologischen Grabenkämpfe

Gemeindepräsident Buchs plädierte dafür, sich nicht in ideologischen Gräben zu verschanzen, sondern sich offen der Diskussion zu stellen – denn von einem konkreten Bauprojekt sei man noch weit entfernt. «Es geht zurzeit einzig darum, die Möglichkeit einer Ortsumfahrung im kantonalen Richtplan vorzumerken.» Das Ziel Reinachs ist nicht in erster Linie die Umfahrung, sondern die Realisierung der erwähnten Tramlinie. Dazu sei in der aktuellen Situation eine Entlastung der Bruggstrasse unerlässlich. In frühestens fünf Jahren dürfte das Bauprojekt stehen, gegen das ein Referendum ergriffen werden kann. Mit einer Realisierung der Strasse ist – wenn überhaupt – nicht vor 2035 zu rechnen.

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