«Am besten schicke ich den bekifften Lehrling raus, um Laub zu wischen»

Die Projektgruppe «Reinach redet» hatte eingeladen, um über das Thema Kiffen während der Lehre zu diskutieren.

Appellierte an die soziale Verantwortung der Lehrmeister: Jürgen Giese, Betriebsleiter der Schlosserei im Erlenhof, referiert im Rahmen von «Reinach redet».  Foto: Caspar Reimer
Appellierte an die soziale Verantwortung der Lehrmeister: Jürgen Giese, Betriebsleiter der Schlosserei im Erlenhof, referiert im Rahmen von «Reinach redet». Foto: Caspar Reimer

Caspar Reimer

Die Projektgruppe «Reinach redet» hatte am Dienstagabend an einem Informationsabend zum Thema «Lehre und Kiffen?» eingeladen. Gastgeber waren das Zentrum Erlenhof und kmu Reinach. Gerda Massüger, Präsidentin des lokalen Gewerbevereins, hob die Bedeutung des Zentrums Erlenhof als Ausbildungsbetrieb hervor: «45 Lehrlinge werden am Erlenhof in verschiedenen Bereichen ausgebildet. Die Anforderungen an die Jugendlichen sind die gleichen wie in einem Betrieb in der Privatwirtschaft.» Einen vertieften Eindruck des Lehrbetriebs Erlenhof konnte man sich in der Schlosserei verschaffen.

Die Schlosserei ist eine der sechs internen, sozialpädagogisch orientierten Ausbildungsbetriebe. Die Jugendlichen müssen – wie bei einem Lehrplatz in der Privatwirtschaft – das Arbeiten im Team, den Umgang mit Maschinen und Werkzeugen sowie das Einhalten der Arbeitsprozesse erlernen. Einziger Unterschied zur Privatwirtschaft: Die Jugendlichen werden sozialpädagogisch begleitet. Betriebsleiter Jürgen Giese hob in seinem Referat diesen Punkt hervor und appellierte an die Ausbildungsverantwortlichen in der Privatwirtschaft: «Als Lehrmeister habe ich eine gesetzliche Fürsorgepflicht gegenüber dem Jugendlichen sowohl in beruflichen wie in sozialen Fragen. Dies wird aber in der Realität häufig nicht praktiziert.» Die Lehre reduziert sich auf Arbeitsdrill und das Einhalten von Pünktlichkeit, so Giese weiter: «Dabei stecken die Jugendlichen in einer extrem herausfordernden Lebensphase.»

Konsum von Rauschmitteln hilft vielen Jugendlichen, diesen Druck besser zu ertragen. «Ein Lehrmeister muss ein offenes Ohr für die Probleme der Jugendlichen haben und ihnen auf Augenhöhe begegnen.» Wenn ein Lehrmeister den Verdacht hat, der Jugendliche könnte gekifft haben, muss er das Gespräch suchen, ihm die Hand reichen und Ziele vereinbaren. «Die kmu-Betriebe müssen mehr in die Pflicht genommen werden – nutze ich den Lehrling als billige Arbeitskraft oder nehme ich meine soziale Verantwortung wahr?», so Giese provokant. Monotone Arbeitsprozesse und Gleichgültigkeit der Lehrmeister können zur Suchtentwicklung beitragen.

Rechtlich heikel

Mit den nüchternen rechtlichen Fragen setzte sich Daniel Gotsch, Sicherheitsbeauftragter des Zentrums Erlenhof, auseinander: «Als Arbeitgeber bin ich verpflichtet, zur Verhütung von Berufsunfällen alle notwendigen Massnahmen zu treffen», so Gotsch. Wenn ein Lehrmeister einen Lehrling bewusst in bekifftem Zustand arbeiten lässt, verstösst er damit gegen das Gesetz zur Unfallverhütung. Da es sich bei Cannabis um eine illegale Substanz handle, sei die Situation juristisch für den Lehrmeister problematisch. Zu einer Urin- oder Blutprobe kann der Lehrmeister den Lehrling nicht zwingen – dennoch: «Rein rechtlich kann Cannabiskonsum die Auslösung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen.» Die Realität ist natürlich eine andere. Gotsch rät: «Wenn ich als Lehrmeister den Verdacht habe, dass mein Mitarbeiter gekifft hat, muss ich in jedem Fall einschreiten und abklären, ob der Lehrling die Arbeit ohne Gefährdung weiterführen kann.» Die Arbeit an und mit Maschinen sei bereits bei geringen Mengen von berauschenden Substanzen gefährlich. «Am besten schicke ich den bekifften Lehrling raus, um Laub zu wischen», so Gotsch. So hat der Lehrling Zeit, über sein Verhalten nachzudenken.

«Reinach redet» weiter

Es war der zweite Informationsabend, den «Reinach redet» in diesem Jahr durchgeführt hat. Der erste Abend befasste sich mit den grundsätzlichen Risiken des Cannabiskonsums und wurde durch die Sekundar- und Primarschule Reinach veranstaltet. Die Projektgruppe will nun ihre diesjährige Präventionskampagne auswerten und in den kommenden Jahren weitere Themen unter dem Motto «Hinschauen statt wegschauen» zur Diskussion stellen.
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