Asyl-Affäre gipfelt in zwei Rücktritten, einem SP-Hausstreit und Bedauern

Gemeindepräsident Urs Hintermann und Gemeinderat Silvio Tondi haben aus dem Fall Eghbali die Konsequenzen gezogen. Bei der SP versucht man, die Wogen zu glätten.

Am Mittwoch vergangener Woche sind Gemeindepräsident Urs Hintermann (SP) und Gemeinderat Silvio Tondi (SP) per sofort von ihren Ämtern zurückgetreten. Die von SP-Fraktionspräsident Ruedi Mäder nach der letzten Einwohnerratsitzung öffentlich vorgebrachte Kritik am Vorgehen der politisch zuständigen Personen im Fall der freigestellten Asylbetreuerin Farideh Eghbali hat wohl das Fass zum Überlaufen gebracht. Mäders Äusserung, dass für den mittlerweile schlechten Ruf der Gemeinde «die Chefs in der ganzen Linie» verantwortlich seien, richtete sich insbesondere gegen den Gemeindepräsidenten und gegen die Vorsteherin des Ressorts Soziales, Gemeinderätin Bianca Maag – auch sie von der SP. Ruedi Mäder, der zudem Mitglied der Geschäfts- und Rechnungsprüfungskommission GRPK ist, welche die Vorkommnisse rund um den Arbeitskonflikt mit Farideh Eghbali überprüfen soll, stiess mit seiner Kritik innerhalb seiner Partei teilweise auf Zustimmung, aber auch auf Groll. Urs Hintermann reagierte in seinem Blog prompt – und ebenfalls scharf: «Verantwortlich für das Debakel sind jene Fraktionsmitglieder, die vorverurteilen, statt prüfen», so Hintermann. Sein Beitrag schliesst mit den Worten: «Das ist nicht mehr meine Partei.» Zwei Tage später trat er von seinem Amt als Gemeindepräsident zurück. SP-Gemeinderat Silvio Tondi folgte ihm «aus Solidarität», wie dieser in seinem Rücktrittsschreiben verlauten liess.


Bianga Maag bleibt

Farideh Eghbali, die am Anfang der Reinacher Asyl-Affäre steht und ebenfalls für die SP im Einwohnerrat politisiert, empfindet über den Rücktritt zwar keine Genugtuung, sagt aber auch: «Ich habe mich korrekt verhalten, als ich die beobachteten Zustände gemeldet habe.» Wie sich die Angelegenheit entwickelte, sei für die SP und die Gemeinde unerfreulich. Eghbali hatte im vergangenen Jahr vermeintliche Missstände, wie etwa das fehlerhafte Verhalten einer anderen Asylbetreuerin im Wohnheim, angezeigt. Ihre Vorgesetzten warfen ihr Kompetenzüberschreitung vor. Es wurde ein Arbeitskonflikt losgetreten, der sich immer mehr zuspitzte und mit der Freistellung Eghbalis im Mai dieses Jahres endete. Der Konflikt wurde in den Medien breit ausgetragen, den politisch Verantwortlichen wurde Intransparenz vorgeworfen. In seinem Rücktrittsschreiben teilte Hintermann mit: «Die schwerwiegendste Folge dieser Medienkampagne ist, dass ich meine Führungsaufgabe nicht mehr seriös wahrnehmen kann.»

Während Hintermann einen Schlussstrich gezogen hat und ihm SP-Gemeinderat Silvio Tondi gefolgt ist, bleibt Gemeinderätin und Parteikollegin Bianca Maag im Amt. Zum «Wochenblatt» sagt sie: «Ich bin jetzt nicht gemeinsam mit Urs Hintermann und Silvio Tondi zurückgetreten, obwohl ich es für mich sehr wohl in Erwägung gezogen habe. Was die Zukunft bringt, werden wir sehen.» Auf die Kritik von Eghbali sagt sie: «Die Abteilung Asyl funktioniert weiterhin gut und ich sehe den Überprüfungen, die jetzt eingeleitet worden sind, mit Gelassenheit entgegen.» Neben der Prüfung der GRPK hat auch der Gemeinderat eine Untersuchung lanciert. Maag fügt hinzu: «Sollten sich Punkte ergeben, die verbesserungsfähig sind, werden wir das natürlich aufnehmen.»


Grosses Bedauern

Trotz der Querelen innerhalb der Partei und der Rücktritte zweier SP-Gemeinderäte gibt man sich bei der SP Reinach kämpferisch: «Natürlich ist es keine schöne Situation. Dennoch ist es kein Grund, den Kopf hängen zu lassen», so SP-Vizepräsident Mikula Thalmann. Mit «offenen und ehrlichen Gesprächen» wolle man versuchen, die Wogen wieder zu glätten. Man werde alles daran setzen, dass «die SP auch in Zukunft prägende Kraft in Reinach bleibt.»

Insbesondere der Rücktritt von Urs Hintermann wird von Teilen der Bevölkerung und von vielen politischen Weggefährten bedauert. Die Präsidien der Birsstadt-Gemeinden lassen etwa verlauten: «Als treibende Kraft hinter der Gründung der Birsstadt galt Urs Hintermann zurecht als deren Motor.» Mit seinem kreativen, strategischen Denken und grossem Einsatz habe Hintermann die regionale Zusammenarbeit unter den Birstal-Gemeinden massgeblich vorangetrieben. «Sein grosser Betrag an die Gemeinschaft wird nachhaltig Wirkung zeigen.»

 

Dossiers interimistisch neu verteilt – Ersatzwahl am 26. November

Am Dienstagabend haben die fünf verbleibenden Gemeinderätinnen und -räte deren Ressorts neu verteilt und die Termine für die Ersatzwahlen bestimmt.
Interimistisch übernehmen die Gemeinderätinnen und -räte zusätzlich zu ihren Ressorts folgende Aufgaben: Vizepräsidentin Béatrix von Sury ist neu auch für das Ressort Präsidiales verantwortlich. Melchior Buchs übernimmt das Ressort Stadtentwicklung, Stefan Brugger das Ressort Umwelt, Ver- und Entsorgung, Klaus Endress die Dossiers der Pensionskassenreform und des Jahres- und Entwicklungsplans.
An der gleichen Sitzung hat der Gemeinderat den Termin für eine Ersatzwahl der beiden frei gewordenen Sitze festgelegt. diese wird am 26. November stattfinden. Eine allfällige Nachwahl wird auf einen ausserordentlichen Termin gelegt, und zwar auf den 14. Januar 2018.

Die Wahl des Gemeindepräsidiums erfolgt am 4. März 2018, falls denn mehrer Kandidaten sich für das Amt bewerben. Ansonstein ist eine stille Wahl möglich.

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