Ein Kind pro Klasse hat ADHS

Mit dem Eintritt in die Schule werden bei Kindern mit ADHS die Probleme deutlich. Hilfe finden Betroffene bei der Beratungsstelle Elpos.

Lernen mit Stress: Kinder mit ADHS haben Mühe, sich zu konzentrieren.  Foto: ZVG/Pro Juventute
Lernen mit Stress: Kinder mit ADHS haben Mühe, sich zu konzentrieren. Foto: ZVG/Pro Juventute

Anita Jung Strub wohnt in Reinach und leitet die Fach- und Beratungsstelle der ADHS-Organisation Elpos Nordwestschweiz. Jetzt, zu Beginn der Schuljahres, hat die gelernte Sozialpädagogin mit Spezialgebiet ADHS besonders viel zu tun: «Es ist die intensivste Zeit des Jahres», sagt sie. «Wenn Kinder mit ausgeprägter ADHS frisch in die Schule kommen, dauert es höchstens drei Wochen, bis die Eltern von der Lehrperson einen Anruf bekommen.» Meistens sei das Thema den Eltern bekannt, da das Kind bereits im Kindergarten durch sein Verhalten aufgefallen sei. Mit dem Eintritt in die Schule werde die Problematik brisant. Und ADHS ist alles andere als selten: «In Reinach wird ein Kind pro Klasse eine ADHS haben.»


Immer wiederholen

Nicht jedes Kind, das in frühen Jahren auffällt, bekomme automatisch eine ADHS-Diagnose: «Die Grenze zwischen Zappelphilipp und ADHS ist fliessend», so Jung Strub. Fällt das Kind aber dermassen auf, das dies zu negativen Reaktionen in der Schulklasse führe, sei eine Abklärung angezeigt. «Oft haben ADHS-Kinder wegen ihres Verhaltens keine Freunde.»

Bei Anita Jung Strub rufen häufig Eltern an, die sich der Situation mit ihrem Kind nicht mehr gewachsen fühlen. In Gesprächen versucht Jung Strub, Eltern im Umgang mit ihrem Kind Tipps zu geben. «ADHS-Kinder brauchen Verbindlichkeit, Strukturen und einen klar geregelten Tagesablauf», so Jung Strub. «Zudem müssen sie viel mehr als andere Kinder spüren, dass sie gemocht und geschätzt werden.» Ausserdem sei es wichtig, Botschaften in regelmässigen Abständen zu wiederholen: «Erst wenn ich dem Kind etwas zum zehnten Mal sage, wird die Botschaft langsam ankommen.»


Gute Zusammenarbeit in Reinach

Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld von Elpos Nordwestschweiz ist die Zusammenarbeit mit den Schulen und Lehrpersonen: «Die Aufklärung von Lehrpersonen zum Thema ADHS ist eine unserer zentralen Tätigkeiten.» So mache sich ADHS sehr häufig auch durch bestimmte schulische Schwächen bemerkbar: «Legasthenie ist eine ganz typische Begleiterscheinung von ADHS», so Jung Strub. Die Sozialpädagogin begleitet die Eltern ausserdem häufig zu Gesprächen mit den Lehrpersonen. Sie könne Inputs geben, die für das Wohlergehen des Kindes an der Schule wichtig sind: «Das Kind sollte nach Möglichkeit in der ersten Reihe nahe beim Lehrer oder der Lehrerin sitzen.» Die Zusammenarbeit mit den Schulen sei in Reinach und den umliegenden Gemeinden sehr gut, anderorts gebe es noch Nachholbedarf.


Ritalin oder Eisen?

Ritalin ist als Medikament für die Behandlung von ADHS-Kindern bekannt. Neuere Forschungen aber haben ergeben, dass Kinder mit einer ADHS häufig unter einer Eisen- und Zinkunterversorgung leiden: «Die Überprüfung dieser Werte sollte bei einem Verdacht auf ADHS heute eigentlich üblich sein. Ich mache die Eltern jeweils darauf aufmerksam, dass der Arzt diese Werte auch überprüfen soll.» Möglicherweise reiche eine Versorgung mit Eisen und Zink, um die Symptomatik zu verbessern. «Ritalin braucht effektiv nur etwa ein Drittel der unter ADHS leidenden Kinder. Ein nicht angezeigter Einsatz des Medikamentes kann bei Kind sogar depressive Symptome auslösen.» Weitere Informationen unter <link http: www.elposnordwest.ch>www.elposnordwest.ch.

 

Was ist eine ADHS?

Die drei Kernsymptome einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung sind ausgeprägte Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität. Für eine ADHS-Diagnose müssen mindestens zwei Lebensbereiche wie Schule und Familie während sechs Monaten stark durch diese Symptome eingeschränkt sein. Die Ursache der Störung ist ein Ungleichgewicht in der Entwicklung des Gehirns. Es gibt die Störung auch ohne Hyperaktivität, weshalb sie in diesem Fall ADS genannt wird. Diese Kinder neigen zu Rückzug, Verschlossenheit und sogar depressivem Verhalten.
Eine ADHS kann von der IV bei Erfüllung bestimmter Kriterien als Geburtsgebrechen anerkannt werden, wenn die ADHS vor dem 9. Lebensjahr diagnostiziert wird. 

Weitere Artikel zu «Reinach», die sie interessieren könnten

Reinach17.04.2024

Endress + Hauser weiter auf Wachstumskurs

Der Messtechnikkonzern mit Hauptsitz in Reinach konnte im vergangenen Jahr trotz glo­baler Un­sicherheiten den Umsatz weiter steigern.
Reinach17.04.2024

Caroline Mall will das Parteipräsidium – und dann plötzlich doch nicht mehr

Die Reinacher Landrätin Caroline Mall möchte Präsidentin der SVP Baselland werden. So liess sie es im Gespräch mit dem Wochenblatt verlauten. Am Mittwochmorgen…
Reinach10.04.2024

Die Wahl der Schulratswahl

Sollen Schulrätinnen und Schulräte wie bisher durch das Volk oder vom Einwohnerrat gewählt werden? Um diese Kernfrage dreht sich die Abstimmung «Teilrevision…