Maria und Josef Leu vom Milchhüsli: «Wir sind die letzten Mohikaner»

Wenn auf Ende Jahr das Milchhüsli in Allschwil schliesst, wird das Reinacher Pendant das letzte Geschäft seiner Art in der Agglomeration Basel sein. Das «Wochenblatt» hat die Inhaber, das Ehepaar Maria und Josef Leu, besucht.

Seit 15 Jahren keine Ferien gemacht: Josef und Maria Leu haben mit dem Milchhüsli Reinach eine Lebensaufgabe.  Foto: Caspar Reimer
Seit 15 Jahren keine Ferien gemacht: Josef und Maria Leu haben mit dem Milchhüsli Reinach eine Lebensaufgabe. Foto: Caspar Reimer

Seit 1986 bedienen Maria und Josef Leu im Milchhüsli an der Reinacher Hauptstrasse die Kundschaft. Zuerst als Angestellte des Spezialisten für Milchprodukte Miba, ab 1999 selbstständig als Inhaber. Beide stammen aus Bauernfamilien und wissen, was harte Arbeit bedeutet. Josef Leu hat nach der Schulzeit eine Lehre als Käser und die Meisterprüfung gemacht, Maria Leu besuchte die Bäuerinnen- und die Handelsschule. So profitiert das Milchhüsli in Reinach von gut ausgebildeten Inhabern mit jahrzehntelanger Erfahrung. Im vergangenen Jahr wurden die beiden für ihre Arbeit im Milchhüsli, mit dem sie einen wichtigen Beitrag zur Belebung des Ortskerns von Reinach leisten, mit dem Reinacher Preis ausgezeichnet. Die angekündigte Schliessung des Milchhüslis in Allschwil auf Ende des laufenden Jahres hat das Ehepaar Leu nicht überrascht, kämpfen auch sie heute in einem harten wirtschaftlichen Umfeld.

Wochenblatt: Das Milchhüsli Allschwil schliesst seine Tore. Muss auch Reinach um sein Milchhüsli bangen?

Josef Leu: Nein, das Geschäft läuft zur Zeit relativ gut. Wir haben pro Tag mindestens 150 Kundinnen und Kunden im Laden. Allerdings machen Maria und ich seit 15 Jahren keine Ferien mehr. Das liegt einfach nicht drin. Wir können uns keine zusätzlichen Angestellten leisten, welche die Ferien abdecken würden. Die Einnahmen reichen, um knapp über die Runden zu kommen, aber wir können keine Investitionen tätigen. Dabei wäre eine Erneuerung des Ladens dringend nötig. So etwas dürfte eigentlich nicht der Normalzustand sein. Zudem macht uns der hohe Frankenkurs Probleme. Der Grat zwischen Sein und Nichtsein ist heute sehr schmal.


Wie erleben Sie die Konkurrenz im Lebensmittelgeschäft?

Josef Leu: Coop und Migros in unmittelbarer Nähe sind schon lange hier und waren für uns nie existenzbedrohend. Auch die Vergrösserung der Coop-Filiale haben wir überlebt. Bei uns gibt es frische, regionale Produkte und wir können unsere Kundschaft beraten – das unterscheidet uns von den beiden Grossen. Zudem sind wir bekannt für unsere Käsespezialitäten wie Fondue oder Raclette, unseren Nüsslisalat und natürlich die Spargeln.


Also gar keine Konkurrenz in Sicht?

Josef Leu:
Doch. Die Geschäfte im grenznahen Ausland und Läden wie Lidl und Aldi, welche die Preise nach unten drücken, bereiten uns Probleme.
Sie sind als Inhaber des Milchhüslis mit dem Reinacher Preis 2016 ausgezeichnet worden. Wie hoch ist die Bedeutung ihres Geschäfts für Reinach?
Maria Leu: Mit 100 Jahren ist es das älteste Lebensmittelgeschäft in Reinach und hat eine lange Tradition. Sicher war die Bedeutung eines Milchhüslis für das Dorf früher eine andere, so gab es damals auch noch Milchmänner. Wichtig ist das Milchhüsli aber nach wie vor, wenn es um die Belebung des Reinacher Ortkerns geht. Müssen solche Geschäfte schliessen, lebt auch der Ortskern nicht mehr. Deshalb ist es wichtig, die kleinen Geschäfte im Dorfkern zu erhalten. Da sitzen wir mit den anderen in einem Boot. Das Milchhüsli hat auch eine soziale Funktion. Viele Kundinnen und Kunden kommen und erzählen uns die Neuigkeiten. Wir erfahren hier alles, was im Dorf gerade so zu reden gibt.


Wie sehen Sie das Milchhüsli in fünf Jahren?

Josef Leu: Das können wir nicht sagen. Wir müssen uns den Entwicklungen anpassen, flexibel bleiben. Es ist harte Arbeit, manchmal ist man auch etwas müde, aber wir machen es immer noch gerne. Besonders zu schätzen wissen wir den Kontakt mit der Kundschaft. Irgendwann werden wir uns aber über eine Nachfolgerin Gedanken machen müssen. Das wird nicht einfach, denn die Anforderungen an eine solche Geschäftsführung sind hoch. Man muss gute Lebensmittelkenntnisse haben, auch etwas von Geschäftsführung und Buchhaltung verstehen. Und eine gute Portion Durchhaltewillen braucht es ebenfalls.


Haben Sie neben dem Milchhüsli noch Zeit für sich selber und die Familie?

Maria Leu: Ja, der Sonntag gehört ganz uns und unseren erwachsenen Töchtern.

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