Angriff von Rechts – Mitte-Links in der Verteidigung

SVP und FDP wollen im Gemeinderat je einen zweiten Sitz erobern und auch im Einwohnerrat zulegen. Die anderen Parteien wollen sich gegen diese Offensive behaupten.

Wer bestimmt die künftige Gemeindepolitik? Der Reinacher Gemeinderat und der Einwohnerrat werden am 28. Februar neu bestellt.  Foto: Tobias Gfeller
Wer bestimmt die künftige Gemeindepolitik? Der Reinacher Gemeinderat und der Einwohnerrat werden am 28. Februar neu bestellt. Foto: Tobias Gfeller

Tobias Gfeller

Die SVP erlebte bei den vergangenen Gemeindewahlen in Reinach eine Niederlage. Sie verlor einer ihrer beiden Sitze im Gemeinderat, jenen von Paul Wenger konnte sie erst im zweiten Wahlgang sichern. Den SVP-Sitz eroberte Béatrix von Sury für die CVP. Silvio Tondi konnte für die SP den Gemeinderatssitz der zurückgetretenen Eva Chappuis im zweiten Wahlgang souverän verteidigen. Sowohl SVP wie auch FDP wollen zurück zu einstiger Stärke und doppelt im Gemeinderat vertreten sein. SP und CVP dagegen wollen ihre drei beziehungsweise zwei Sitze für vier weitere Jahre verteidigen.

Gemeinderat als Kollegialbehörde

Trotz dreier SP-Vertreter findet Gemeindepräsident Urs Hintermann (SP) nicht, dass der Gemeinderat tendenziell links tickt. «Natürlich werden im Parlament die Parteiprogramme vertreten. Aber im Gemeinderat geht es darum, konsensorientiert zu denken und sachpolitisch zu handeln.» Als Gemeindepräsident stehe er für Lösungen, hinter denen möglichst viele Menschen stehen können. Das Suchen nach Kompromissen, das gelinge dem aktuellen Gremium «recht gut». Er selber würde gerne weitere vier Jahre Gemeindepräsident bleiben. Zusammen mit Silvio Tondi und Bianca Maag bildet Hintermann das SP-Dreierticket für den Gemeinderat.

FDP will mehr Unternehmertum

Auf die finanziellen Herausforderungen der kommenden Jahre weist die FDP hin. Um sich die kommenden Investitionen auch leisten zu können, brauche Reinach eine starke Wirtschaft und damit Rahmenbedingungen, die das ermöglichen, sagt FDP-Präsidentin Gerda Massüger. «Es würde dem Gemeinderat guttun, wenn neben Klaus Endress noch mehr unternehmerisches Gedankengut hinzu käme.» Damit wirbt Massüger für ihren zweiten FDP-Kandidaten Melchior Buchs. Dieser war während acht Jahren hauptamtlicher Gemeinderat in Thun und baute ab 2010 im Business Parc Reinach sein Start-up-Unternehmen auf. 2014 wurde er Nachfolger von Gerda Massüger als Geschäftsführer des Business Parcs und zog deshalb definitiv nach Reinach. «Ich denke schon, dass ich von meiner Erfahrung als Gemeinderat in Thun profitieren könnte. Aber ich bin keiner, der nach Reinach kommt und alles besser zu wissen meint.»

SP und CVP übervertreten?

Für die SVP geht es in Reinach darum, ihre Wählerstärke auch in der Exekutive abzubilden. Mit Steffen Herbert biete die SVP einen «sehr vielseitigen, bürgerlichen Kandidaten», ist Gemeinderat und SVP-Wahlkampfleiter Paul Wenger überzeugt. Er sieht in der aktuellen Zusammensetzung die SP und die CVP im Gemeinderat übervertreten. Als Präsident der Interessengemeinschaft der Ortsvereine Reinach (IGOR) kennt Steffen Herbert die Situation im Dorf ebenso bestens. «Die Subventionen müssen im Dorf bleiben und nicht nach Basel-Stadt fliessen», fordert Herbert.

«Gut ausgebaute Infrastruktur»

Wie die SP will auch die CVP die Angriffe von SVP und FDP abwehren. Wahlkampfleiter und Gemeinderat Stefan Brugger ist bewusst, dass die Ausgangslage für die CVP schwierig ist. «Am Wahltag wird national über die zweite Gotthardröhre und die Durchsetzungsinitiative abgestimmt. Diese Vorlagen mobilisieren eher die Polparteien, was ein Nachteil für die Mitte ist.» Als eines der langfristigen Ziele sieht Brugger neben der Stabilität der Gemeindefinanzen auch eine Ost-West-Tangente des öffentlichen Verkehrs, die beide BLT-Tramlinien und damit Reinach mit dem Bahnhof Dornach-Arlesheim direkt verbindet. «Reinach braucht eine gut ausgebaute Infrastruktur», findet Brugger. Mit ihm tritt auch Béatrix von Sury wieder an.

Vom Aufschwung profitieren

Im Einwohnerrat besitzen die bürgerlichen Kräfte – sofern sie zusammenarbeiten – eine stabile Mehrheit, doch zielen FDP (aktuell acht Sitze) und SVP (9) wie im National- und Landrat auf eine eigene Mehrheit hin. «Natürlich wäre es schön, wenn wir zusammen mit der FDP Geschäfte durchbringen könnten», meint SVP-Wahlkampfleiter Paul Wenger. Auch die FDP will vom nationalen und kantonalen Aufschwung profitieren und im Einwohnerrat zulegen.

Schwierige Ausgangslage für die Grünen

SP-Co-Präsident Claude Hodel hofft, dass die SP als stärkste Partei (11) ihre Sitze im Parlament zumindest halten kann. Er sieht die SP in den Sachthemen sehr nahe an der Bevölkerung. Schwierig ist die Ausgangslage für die Grünen. Vor vier Jahren noch mit einer Zehnerliste angetreten, kandidieren dieses Jahr nur gerade vier Grüne, um die beiden Sitze zu verteidigen. «Dadurch, dass die SP in Reinach viele Themen der Grünen übernommen hat, wird es bestimmt schwierig für uns», glaubt Einwohnerrätin Léonie Laukemann.

Die Mitte in der Defensive

Neben den Grünen mussten zuletzt vor allem die Mitteparteien Federn lassen. BDP-Präsident Christoph Wyttenbach sieht aber nicht ein, weshalb sich dieser Trend auch in Reinach fortsetzen soll und hofft, mit einer Dreierliste möglichst viele der bisherigen vier Sitze zu verteidigen. Für eine starke Mitte braucht es weiter die CVP, die sechs Sitze zu verteidigen hat.

Zurück in den Einwohnerrat möchten die Grünliberalen. Sie verloren aufgrund von Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Stadtfest-Organisation Einwohnerrat Roland Fischer an die Freisinnigen. Jean-Jacques Welz, Präsident der GLP Reinach-Aesch-Pfeffingen, wünscht sich, dass die Mitte gestärkt wird, und ist im Übrigen sehr optimistisch, dass die GLP wieder in den Einwohnerrat zurückkehrt.

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