Reinacher Gespräche: Nein zur Fusion ist kein Nein zu einer Zusammenarbeit

Beeinflusst das getrübte Verhältnis von Stadt und Land die Identität des Baselbiets? Das war das Thema der Reinacher Gespräche vom Mittwoch vergangener Woche.

«Der alte Pragmatismus existiert noch.» Der Baselbieter Regierungsrat Anton Lauber redet der Zusammenarbeit der beiden Basler Halbkantone das Wort, im Hintergrund Ständerätin Anita Fetz aus Basel-Stadt.  Foto: Gemeinde Reinach
«Der alte Pragmatismus existiert noch.» Der Baselbieter Regierungsrat Anton Lauber redet der Zusammenarbeit der beiden Basler Halbkantone das Wort, im Hintergrund Ständerätin Anita Fetz aus Basel-Stadt. Foto: Gemeinde Reinach

Michel Ecklin

Haben die Baselbieter ein mentales Problem? Die Basler Ständerätin Anita Fetz meinte: Ja – warum sonst müssten manche Landschäftler mit Höhenfeuern ihre Identität abfeiern? Das konnte der Baselbieter Regierungsrat Anton Lauber nicht so stehen lassen. «Ein mentales Problem hat, wer ein Jahr nach der verlorenen Abstimmung noch der Fusion nachtrauert.»

Das war der härteste Wortwechsel an den ansonsten ziemlich harmonischen Reinacher Gesprächen (die dieses Jahr aus nur einer Podiumsdiskussion bestanden). Thema war das Selbstverständnis des Baselbiets und seine Stellung in der Region und der Schweiz. In einem waren sich die Gesprächsteilnehmer einig: Stadt und Land verkrachen sich ständig – aber solange sie nach aussen geschlossen auftreten, ist das nicht wirklich ein Problem. Am deutlichsten vertrat Sabine Horvath diese Haltung, die Basler Standortvermarkterin. Die Region werde in Bern als sehr gut positioniert wahrgenommen, auch wenn man dabei fast immer nur an Basel und kaum je ans Baselbiet denke. Allerdings gebe sich die Region nach aussen oft kleinräumiger, als sie sei. «Das irritiert, und ich kann ja nicht Baselland alleine verkaufen.»

Fetz stellte einen Wandel in den vergangenen Jahren fest. Noch in den 1990er-Jahren habe das Baselbiet in Bern als fortschrittlich gegolten, etwa punkto Umweltschutz. Zwischen Stadt und Land sei das Verhältnis «pragmatisch-freundschaftlich» gewesen. Etwa um die Jahrhundertwende habe sich das geändert, und inzwischen sei das Verhältnis zu Basel «vergiftet, und zwar nur wegen zwei Dutzend Agents provocateurs im Landrat». Die höre die Restschweiz, «und sie wundert sich, was da los ist». Das sei nicht für Basel ein Problem, sondern fürs Baselbiet.

Konflikte schaffen Identität

Lauber sah das weniger dramatisch. Die Provokationen aus dem Landrat nehme er als «politische Meinungen» wahr. Es gebe Sticheleien zwischen den beiden Kantonen, «aber der alte Pragmatismus existiert noch». Das Nein zur Fusion sei keine Absage an eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung. «Und 69 Prozent der Baselbieter haben kein Problem mit ihrer Identität als selbstständigem Kanton», das sei nun mal die Realität. Von Diskussionsleiter Dieter Kohler (Regionaljournal SRF) gefragt, ob die Regierung mit dem kürzlich abgeschlossenen 80-Millionen-Deal nicht die Bevölkerung beider Kantone emotional aufs Glatteis führe, meinte er: «Bei einer Kündigung der Verträge wäre das Eis noch viel glatter geworden.» Man habe einfach «Verantwortung für die ganze Region wahrgenommen», ohne Emotionen. Und überhaupt seien sich die beiden Kantone gar nicht so oft uneinig.

Demgegenüber stellte der Reinacher Gemeindepräsident Urs Hintermann fest, dass Identität in Konflikten entstünden, «bei der Kantonstrennung 1833, bei Kaiseraugst und bei der Sandoz-Katastrophe». An solchen Dingen wachse man, «und Probleme haben wir derzeit ja genug». Und so kann man es als positives Omen interpretieren, dass der aus Zürich stammende Politologe Andreas Ladner meinte: «Das Fusionstrauma schwirrt hier noch herum» – mentales Problem hin oder her.

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