Notlösung oder Quartierrettung?

Innerhalb von drei Wochen schlossen in Reinach und Münchenstein gleich zwei Quartier-Postfilialen. Postagenturen in kleinen Geschäften erhalten die wichtigsten Dienstleistungen am Leben.

Neben dem Reinigungsservice nun auch das Postgeschäft: Patricia Wicky und Ursula Ariza.  Foto: Tobias Gfeller
Neben dem Reinigungsservice nun auch das Postgeschäft: Patricia Wicky und Ursula Ariza. Foto: Tobias Gfeller

Tobias Gfeller

Der Betrieb in der Näf Textilwäscherei im Surbaumquartier in Reinach ist am Montag aussergewöhnlich gross. Dies hat aber nur bedingt mit vielen Hemden und Anzügen zu tun, die gereinigt werden müssen. Viel eher ist es die neue Postagentur, die seit Montag in die Textilwäscherei an der Baslerstrasse 99 integriert ist. Die langjährige Postfiliale – 30 Meter daneben – ist nun definitiv Geschichte. Yvonne Raudzus, Mediensprecherin der Post AG, begründet die Schliessungen mit verändertem Kundenverhalten und einem laufenden Strukturwandel. «SMS, E-Mail und das Internet allgemein verdrängen die herkömmlichen Postdienstleistungen an unseren Schaltern. Dazu kommen private Anbieter auf dem Postmarkt, die uns natürlich konkurrieren.»

Kein adäquater Ersatz
Nun traf es im August die Postfiliale «Münchenstein Zollweiden» und vor wenigen Tagen die Poststelle im Surbaumquartier in Reinach. Bei den bedienten Postagenturen im Blumengeschäft Dufour an der Baselstrasse 60 in Münchenstein und eben in der Näf Textilreinigung kann die Kundschaft Briefe und Pakete aufgeben und avisierte Sendungen abholen sowie Briefmarken kaufen und bargeldlose Einzahlungen – auch weiterhin mit dem «Gelben Büchlein» – tätigen. Mit der PostFinance Card sind zudem Bargeldbezüge (bis max. CHF 500.–) möglich.

Doch eine Postagentur ist eben nicht ein völlig adäquater Ersatz für eine Postfiliale. «Einzahlungen können nur noch mit der PostFinance Card und nicht mehr mit Bargeld getätigt werden», betont Raudzus. Dafür seien im Gegensatz zu den normalen Poststellen Zahlungen mit den Maestro-Karten der Banken möglich. Auch verschwinden die Postfächer. Den Kunden bietet die Post einen Hauslieferdienst oder ein Postfach bei der Hauptpost.

Gute Erfahrungen mit Postagenturen
Der Vorteil an Postagenturen liegt in den längeren Öffnungszeiten, die sich nicht mehr nach den normalen Postzeiten, sondern nach den Öffnungszeiten des Geschäftsbetriebs des Agenturpartners richten. So verbessern sich die Öffnungszeiten in Reinach wöchentlich um elf Stunden, in Münchenstein um sechs. Das Agenturpersonal wird im Vornherein speziell geschult. «Das Postgeheimnis – zu dem sich der Partner vertraglich verpflichtet – - bleibt auch in einer Agentur gewahrt», stellt Yvonne Raudzus klar.
Die Posträumlichkeiten in der Zollweiden Münchenstein werden aufgelöst. Dort bestand ein Mietverhältnis. Was mit dem Lokal im Surbaumquartier passiert, das im Eigentum der Post steht, sei noch unklar. Weitere Entscheide im Poststellennetz im Birseck gibt es gemäss Yvonne Raudzus nicht, wobei die Weiterentwicklung eine Daueraufgabe bleibe.

Surbaumquartier wird abgesägt
Wenn immer eine Poststelle schliesst, hagelt es Kritik. Diese blieb auch in Reinach nicht aus. «Es gab viele Reaktionen, als bekannt wurde, dass die Post-
filiale im Surbaum schliesst», berichtet Barbara Wackernagel, Präsidentin des Quartiervereins Reinach Nord. Vor allem das Wegfallen von Bargeldeinzahlungen sei für Senioren eine negative Veränderung. «In der Postfiliale gab es auch noch ganze Briefmarkenbögen, in der Postagentur nur noch Zehnerpackungen.»

Die Schliessung der Poststelle sei für das Surbaumquartier ein weiterer Rückschlag. «Ich habe Angst, dass irgendwann noch der kleine Coop schliesst.» Der Weg werde immer weiter, bis man in die wichtigen Läden kommt. «Es ist allgemein schade, dass das Quartier trotz geplanter Wohnüberbauungen ein wenig abgesägt wird von Dienstleistungen.» Als Nächstes bange man ja auch um das Surbaumschulhaus.

Traditionell ist es die SP, die sich für den Erhalt des Service Public einsetzt. Dieter Rehmann, Co-Präsident der SP Münchenstein, zeigt aber auch Verständnis für das Handeln der Post. «Es ist zweischneidig: Man kann nicht verlangen, dass alles so bleibt, wie es mal war, aber selber das Angebot nicht genügend benutzen.» Diese Strukturanpassungen seien aus Sicht der Post wohl nötig. «In den Postagenturen werden immerhin die Grunddienstleistungen noch angeboten.»

«Das Risiko ist kalkulierbar»
Für die Agenturpartner zahlt die Post eine finanzielle Abgeltung, die sich aus einer fixen Vergütung und variablen Komponenten abhängig von Umsatz und Erreichung von Qualitätszielen zusammensetzt. Für Beat Tschudin, Inhaber der Näf Textilreinigung in Reinach, ist es bereits die dritte Postagentur in einem seiner Betriebe in der Region. Doch diejenige in Reinach unterscheidet sich von den anderen beiden. Für ihn ging es auch darum, dem Surbaumquartier zu helfen. «Der Wegzug der Post wäre nicht gut für das Quartier, aber auch nicht gut für mich.» Dann bliebe mit dem Coop nur noch ein Kundenmagnet. «Eine Poststelle hat auch einen gewissen sozialen Aspekt», findet Tschudin. So bietet er in seiner Postagentur auch Abfallmarken an, was für Senioren sehr wichtig sei.

Für die neu eingerichtete Postagentur muss Beat Tschudin zusätzlich Personal einstellen, da bis anhin im Geschäft nur immer jemand Dienst hatte. Und für beide Aufgaben, Reinigung und zusätzlich Post, ginge das nicht. Das wirtschaftliche Risiko für sein Geschäft bezeichnet er als «kalkulierbar». Sein Bezug zu Reinach stehe im Vordergrund. Für das Vorgehen der Post hat er Verständnis. Im Wissen, dass die Poststelle im Surbaum für die Menschen auch eine Identifikation darstellte, glaubt Tschudin, dass es bis zu einem halben Jahr gehen kann, bis sich die Leute an die neue Situation gewöhnt haben.

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