Konstantinos Kosmidis: «Ich sehe die anderen Pfarrer als Freunde an»

Die griechisch-orthodoxe Kirchgemeinde hat seit 15 Jahren ihren Sitz für die gesamte Nordwestschweiz in Münchenstein. Das «Wochenblatt» sprach mit Pfarrer Konstantinos Kosmidis.

Arbeitet nebenbei auch als Griechischlehrer: Konstantinos Kosmidis, Pfarrer der
Arbeitet nebenbei auch als Griechischlehrer: Konstantinos Kosmidis, Pfarrer der

Die Kirche der griechisch-orthodoxen Gemeinde ist am Kreisel bei der Haltestelle Zollweiden mit seinen Zwiebeltürmen deutlich zu sehen. Finanziert wurde das Gebäude durch griechische Gönner. Seit anderthalb Jahren lebt der 45-jährige Pfarrer Konstantinos Kosmidis mit seiner deutsch-griechischen Frau und seiner Tochter in Münchenstein, wo er sich sehr wohlfühlt.

Wochenblatt: Herr Kosmidis, wer kommt nach Münchenstein in Ihren Gottesdienst?

Konstantinos Kosmidis: Unsere Gemeinde der Göttlichen Weisheit umfasst die Kantone beider Basel, Aargau, Solothurn und Jura. Dazu kommen noch Besucher aus dem nahen Ausland und griechisch-stämmige Ex-Pats – vor allem aus England und den USA. Das sind etwa 3000 Mitglieder. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil wir in der griechischen Kirche keine Kirchensteuer erheben und damit auch keine genauen Mitgliederzahlen haben.


Wie muss man sich einen orthodoxen Gottesdienst vorstellen? Welche Unterschiede gibt es zu anderen Orthodoxen und zu den Katholiken?

Konstantinos Kosmidis: Orthodoxe Gottesdienste sind sich alle sehr ähnlich; eigentlich unterscheidet sie nur die Sprache. Die Auslegung des Predigttextes halte ich auf Deutsch. Die Liturgie und die Lieder sind auf Griechisch. Allerdings ist es auch kein Griechisch mehr, wie es heute gesprochen wird. Bekannt dürfte ja sein, dass bei den Orthodoxen die Ikonen eine grosse Rolle spielen. Wir lieben die bildliche Darstellung biblischer Geschichten. Charakteristisch ist auch, dass es in orthodoxen Kirchen keine Orgel und auch keine anderen Instrumente gibt. Unser Gesang ist sozusagen a cappella.


Welche Feste sind den griechischen Christen wichtig? Weihnachten wird eine geringere Rolle spielen als im katholisch geprägten Europa.

Konstantinos Kosmidis: Unser wichtigstes Fest ist ganz klar Ostern, die Auferstehung des Herrn. Wir machen am Karfreitag eine Prozession Richtung Grün 88 und verbringen auch die Osternacht mit Feuern draussen um die Kirche. Weihnachten feiern wir wie in der Schweiz mit Baum, Krippe, Liedern und Geschenken. Ein wichtiger Unterschied ist allerdings, dass wir noch bis einschliesslich 24. Dezember fasten und deshalb alle Familienfeiern erst am 25. Dezember stattfinden.


Gibt es weitere wichtige Feste?

Konstantinos Kosmidis: Auch Mariä Entschlafung am 15. August ist ein sehr grosses Fest. Deshalb nennen wir es auch «Ostern im Sommer». Am 6. Januar, das Fest nennen wir Theophanie, weihen wir traditionell das Wasser. Wir gehen dazu an den Rhein bei der Mittleren Brücke. In Griechenland ist es üblich, dass Taucher ein Kreuz aus dem Wasser holen, das der Pfarrer zuvor hineinwirft. Aber dazu ist es im Rhein im Winter zu kalt (lacht).


Sie wohnen mit ihrer Frau und Tochter in Münchenstein. Dürfen orthodoxe Priester überhaupt heiraten?

Konstantinos Kosmidis: Es ist richtig, dass griechische Priester, die eine höhere Karriere anstreben, also zum Beispiel Bischof werden wollen, unverheiratet bleiben müssen. Aber auch ich durfte nur Pfarrer werden mit dem schriftlichen Einverständnis meiner Frau. Das schreibt die griechische Kirche so vor.


Und wie gefällt es Ihnen in Münchenstein?

Konstantinos Kosmidis: Ich fühle mich ausgesprochen wohl hier. Wenn ich kann, will ich bis zur Pension hier arbeiten. Ich mag die Sauberkeit und Ordnung in der Schweiz; und die Menschen in Münchenstein sind sehr nett und freundlich. Das trifft auch auf die anderen Kirchen zu; ich sehe die reformierten und katholischen Kollegen als Freunde an. So hat es mich etwa auch sehr gefreut, kürzlich beim «Einheitssonntag» im Kuspo dabei zu sein.


Wo waren Sie zuvor Pfarrer?

Konstantinos Kosmidis: Ich habe eine Heimatgemeinde in Igoumenitsa in Nordwestgriechenland, wo ich in den Sommerferien noch aushelfe. Ich war aber lange im Ausland tätig, zuerst in Wien, später in Durban, Südafrika. Ich wollte für die Schulbildung meiner Tochter wieder zurück nach Europa und habe mich auf die Stelle in Münchenstein beworben.


Wie fühlt man sich als Grieche bei den Diskussionen über Flüchtlinge in Westeuropa?

Konstantinos Kosmidis: Die Griechen sind sehr gastfreundlich, weil sie in ihrer Geschichte selbst oft Flüchtlinge waren und heute auf der ganzen Welt leben. Aber ich bin nicht einverstanden mit der heutigen Situation; es muss eine europäische Lösung gefunden werden. Griechenland ist ein armes Land; die Flüchtlinge, die bei uns sind, wollen nicht nach Griechenland. Sie wollen nach Westeuropa.


Türkische Imame oder russisch-orthodoxe Priester in der Schweiz stehen ja in der Kritik, weil sie zu sehr von der Politik ihrer Heimatländer gesteuert würden. Wie ist es mit der griechischen Kirche?

Konstantinos Kosmidis: Das kann kein Thema sein, weil ich hier in Münchenstein nicht von der griechischen Kirche angestellt bin. Die Gemeinde finanziert alles komplett selbst; und so wird mein Pfarrerslohn auch von einer Stiftung getragen. Ich arbeite deshalb auch als Griechischlehrer in Basel.


Sie benutzen selbst das Wort «Pfarrer», wenn Sie deutsch sprechen. Sagt man bei Orthodoxen nicht eher «Priester»?

Konstantinos Kosmidis:
Da bin ich ganz offen, was die Übersetzung betrifft. Sie dürfen auch gerne die griechische Bezeichnung «papás» oder «ieréas» verwenden (lacht).

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