Christenheit braucht mehr Salz

Mit einer grossen Feier im Kuspo eröffneten Münchensteins Christen am Sonntag die Weltgebetswoche. Mehr Öffnung nach aussen war auch das beherrschende Thema der anschliessenden Podiumsdiskussion.

Diskutierten über die Zukunft der Kirchen: Beat Oberlin, Hanni Huggel, Martin Dürr, Jeanne Locher und Stephan Feldhaus (v. l.).  Foto: Boris Burkhardt
Diskutierten über die Zukunft der Kirchen: Beat Oberlin, Hanni Huggel, Martin Dürr, Jeanne Locher und Stephan Feldhaus (v. l.). Foto: Boris Burkhardt

Ein einzelner ökumenischer Gottesdienst zum Auftakt der jährlichen Weltgebetswoche für die Einheit der Christen war den Münchensteinern dieses Jahr zu wenig. Die Reformierte und die Römisch-katholische Kirchgemeinde sowie die Freikirche Eckstein Birseck hatten deshalb am Sonntag einen gross angerichteten «Einheitssonntag» von 10 bis 16 Uhr im Kuspo organisiert. Musikalischer Gottesdienst, gemeinsames Mittagessen und Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik standen auf dem Programm. Der Sonntag stand unter dem selbst gewählten Motto «Ihr seid das Salz der Erde», eine Ausspruch Jesu aus der Bergpredigt.


Salz – wertvoll und besonders

Stephan Feldhaus griff dieses Bibelwort in seinem Inputreferat auf. Der promovierte Theologe ist Kommunikationsleiter bei der Roche und für seine provokanten Überlegungen zur aktuellen Situation der christlichen Kirchen bekannt. So sagte er gleich zu Beginn, dass die Kirchen den Gläubigen jahrhundertelang die Unwahrheit erzählt hätten: «Jesus sagt nicht, ihr sollt oder ihr müsst das Salz sein, sondern er machte eine Aussage: Ihr seid das Salz.» Das sei eine «unglaubliche Heilszusage» an alle Menschen. Es sei deshalb «extrem grausam», wie die Kirchen den Menschen einredeten, sie seien «von Grund auf böse und verderbt», anstatt ihnen Mut zu machen und alle Individuen als das Salz der Erde zu bezeichnen – vor 2000 Jahren war Salz doch etwas ganz Wertvolles und Besonderes.


Sinnvoll handeln, Vorbild sein

Diesen Gedanken führte Feldhaus in der anschliessenden Diskussion fort. Auf die Frage des Moderators, Pfarrer Martin Dürr, ob man mit der Bergpredigt Wirtschaft oder Politik machen könne, betonte Feldhaus: «Es liegt an jedem einzelnen Christen, sich auch in der Wirtschaft christlich zu verhalten: barmherzig, friedfertig, andere zu ihrem Recht kommen lassen.» Darauf war zuvor auch Beat Oberlin, bis Ende 2016 in der Geschäftsleitung der Basellandschaftlichen Kantonalbank tätig, eingegangen: «Um etwas gegen das schlechte Image unserer Branche zu tun, muss ich meinem Handeln einen Sinn geben und Vorbild sein.»

Die Münchensteiner SP-Landrätin Hanni Huggel bestätigte, dass sie auch in der Politik merke, wenn jemand christliche Werte lebe: «Das ist ein anderer Umgang miteinander. Und ich halte es für wichtig, diese Werte auch in die Politik hineinzubringen.» Moderator Dürr stellte allerdings eben jene «christlichen Werte» auf den Prüfstand und erzählte von einem Politiker, dem nur «Pünktlichkeit» einfiel, als er gefragt wurde, was er denn unter den christlichen Werten verstehe, die er eben beschworen habe. «Wohl eher ein helvetischer Wert», kommentierte Dürr ironisch; «in den zehn Geboten steht jedenfalls nichts von Pünktlichkeit.»

In diesem Zusammenhang beklagte Gemeinderätin Jeanne Locher, die als Religionslehrerin arbeitet, dass es ungleich schwierig geworden sei, Kindern und Jugendlichen Tugenden zu vermitteln: «Viele kirchenferne Eltern haben heute Angst, wir würden im Unterricht missionieren.» Feldhaus erkannte hierin aber auch ein «extremes Versagen der Kirchen», die sich nur mit sich selbst beschäftigten: «Sie haben jahrzehntelang alles dafür gemacht, um für Jugendliche und junge Erwachsene unattraktiv zu sein.» Mit Hinblick beispielsweise auf die Diskussion um das Zölibat verdeutlichte er: «Die Kirchen geben Antworten auf Fragen, die heute niemand mehr stellt.» Als gelungenes Beispiel nannte Locher das Münchensteiner Dorffest im vergangenen Juni, bei dem die Kirchen sich vor Ort den Menschen präsentiert hätten.


Premiere ein voller Erfolg

Den Abschluss der Veranstaltung gestaltete die griechisch-orthodoxe Gemeinde der Nordwestschweiz, die ebenfalls in Münchenstein ihre Kirche hat, mit einer Vesper. Der katholische Pfarrer von Münchenstein, Daniel Fischer, beurteilte den «Einheitssonntag» als vollen Erfolg: 320 Gäste habe er im Gottesdienst gezählt, darunter 50 Kinder. Zum Podium seien noch 110 Zuhörer geblieben. Ob es im kommenden Jahr eine ähnliche Veranstaltung gebe, müsse er allerdings erst mit seinen Kollegen besprechen.

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