Wenn Unkraut zur Delikatesse wird

Nur die wenigsten Pflanzen in unseren Wäldern sind giftig. Dies zeigte der Waldspaziergang des Natur- und Vogelschutz- vereins Münchenstein. 20 Personen nahmen am Samstag daran teil.

Die Waldböschung zum Gewürzregal machen: Lucretia Wyss mit einem Blatt vom Nelkenwurz.  Foto: Tobias Gfeller
Die Waldböschung zum Gewürzregal machen: Lucretia Wyss mit einem Blatt vom Nelkenwurz. Foto: Tobias Gfeller

Am Ende ist es wie bei einem normalen Essen zu Hause in der heimischen Küche: Nach dem Kochen darf gegessen werden. Doch für einmal kommen nicht Salat, Teigwaren oder Gemüse auf den Teller, sondern eine Suppe aus frisch gesammelten Pflanzen aus dem Münchensteiner Wald.
Während fast drei Stunden sammelte eine 20-köpfige Gruppe Blätter und Blüten, die ess- und geniessbar sind. Dabei konnten sich alle auf die Tipps der Naturgartenspezialistin Lucretia Wyss aus Riehen vertrauen, die die Exkursion leitete. Und wenn sie einmal nicht zur Stelle war oder selbst mal eine Pflanze nicht auf sicher definieren konnte, wurde rasch das Smartphone mit passender App oder die Flora Helvetica, das grosse Sammelwerk zu den Schweizer Pflanzen, zur Hilfe genommen. Fragen hatten die Exkursionsteilnehmer viele. Die reichhaltige Pflanzenwelt im Wald weckte ihre Neugier. «Wir suchen essbare Pflanzen, die wir dann im eigenen Garten anpflanzen können», begründete Fano seine Teilnahme. Es sollen solche sein, die man nicht im Gartencenter kaufen kann. «Wir möchten quasi den Wald in den eigenen Garten holen.» Natürlich wolle sie auch ihr Wissen über essbare Pflanzen vertiefen, ergänzte Silvia. «Wir sind so oft im Wald. Aber heute wissen wir die grundsätzlichsten Dinge darüber nicht mehr.» Silvia sprach aus, was an diesem Vormittag viele dachten. «Früher haben sich die Menschen nur von solchen Pflanzen ernährt. Heute kennen die meisten diese nicht mehr und haben sogar Angst davor», klagt Exkursionsleiterin Lucretia Wyss.
Als bestes Beispiel hierfür diene die Brennnessel. «Viele haben sie in negativer Erinnerung, weil sie eben auf der Haut brennt. Ihre Blätter und Blüten gehören aber zu den wichtigsten Waldpflanzen, die essbar sind.» Sie seien sehr gesund und hätten sogar eine positive Auswirkung auf die Libido.


Ernten statt jäten!

Immer wieder stiess die Gruppe auf Pflanzen, die sie vom «zivilisierten Alltag» her kennen. «Dort werden sie als Unkraut gejätet», bemerkte eine Frau. Das sei jetzt ab sofort verboten, entgegnet ihr Lucretia Wyss mit einem Lächeln. «Jetzt werden sie nicht mehr gejätet, sondern geerntet. Unkraut kennen wir jetzt nicht mehr.»
Auch wirklich giftig sind in unseren Wäldern nur die wenigsten Pflanzen. Die Exkursionsteilnehmer liessen sich von der Pflanzenliebe der Naturgärtnerin anstecken. Der 21-jährige Sandro Vecchi und sein Kollege wollen ein ganzes Dossier mit essbaren Pflanzen anlegen. Jeder Hinweis von Lucretia Wyss wurde eifrig notiert. «Wir möchten in Zukunft selber in den Wald gehen und uns so unser herkömmliches Essen mit Waldpflanzen ergänzen.» Wolle man Pflanzen essen, so müsse man eher die jüngeren Blätter nehmen, da diese vom Geruch und der Konsistenz her angenehmer sind.


Pflanzen in allen Facetten

Bevor die Suppe auf das Feuer konnte, mussten die Blüten und Blätter noch zurechtgeschnitten werden. Einen Unterschied zur herkömmlichen Küche war dabei nicht zu erkennen. «Was einem halt zu grob ist, kann man ja wegschneiden. Genau wie beim Gemüse», erklärte Lucretia Wyss. Sie selber bereitete noch zu Hause einen «Smoothie» aus Waldpflanzen, Orangen und Bananen vor und zeigte so, dass die Verwendung der Waldpflanzen sehr vielfältig ist. «Man muss nur die Fantasie walten lassen», gab sie einen letzten Tipp auf den Weg.

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