Eine fintenreiche Groteske

«Netzwerk», das neue Theaterstück von Christoph Frommherz, wurde am letzten Samstag in der Rudolf Steiner Schule in Münchenstein uraufgeführt. Das Stück überrascht mit einer unerwarteten Wendung.

Himmlisches Einweihungsritual: Bill (Christian Metzger) wird von Helene (Anna Semlitsch) getauft. Im Hintergrund (sitzend) Rosa (Stephanie Feddern).  Foto: Thomas Brunnschweiler
Himmlisches Einweihungsritual: Bill (Christian Metzger) wird von Helene (Anna Semlitsch) getauft. Im Hintergrund (sitzend) Rosa (Stephanie Feddern). Foto: Thomas Brunnschweiler

Thomas Brunnschweiler

Bereits im Stück «Himmelspforte» von 2009 war der Himmel Handlungsort. Diese Idee, die offenbar immer wieder inspirierend wirkt, findet sich auch im neuen Stück von Christoph Frommherz. Im Himmel haben die berühmten Revolutionäre einen eigenen Raum erhalten, wo sie sich mangels Nachzugs von der Erde grässlich langweilen. Sabrina Araimi spielt die aufbegehrende und kampflustige Mesta – eigentlich Ernesto Che Guevara, Stephanie Feddern die hellsichtige, leicht esoterisch anmutende Rosa Luxemburg und Christoph Frommherz den resignierten Wilhelm Tell, der im Schweizer System die Vollendung der revolutionären Bestrebungen sieht. Für Helene, die rechte Hand Gottes, forsch bis aufreizend gespielt von Anna Semlitsch, sind die drei «der Club der Ewiggestrigen». Schliesslich tritt mit Bill ein Neuer im Himmel auf. Da er ein Kästchen mitbringt, das globale Vernetzung ermöglicht, denkt man instinktiv an Bill Gates.

Christian Metzger spielt Bill mit einer Mischung von Naivität und Neugierde gegenüber den Avancen von Rosa und Helene, die zunehmend Rivalinnen werden. Die Revolutionäre im Himmel wollen nun mittels Bills Kästchen die Revolution auf der Erde auslösen und dort basisdemokratische Verhältnisse schaffen, die durch die politischen Eliten und wirtschaftlichen Sachzwänge unterdrückt werden. Die Vertreter der Grossmächte, ein KGB-Agent (Kay Moosmann) und ein CIA-Mann (Noam Schaulin), tun sich zusammen, um die basisdemokratischen Regungen zu unterdrücken.

Politisch motiviertes Theater
Hat der Zuschauer im ersten Teil noch etwas Mühe mit der Plausibilität der Handlung, so wird im zweiten Teil plötzlich klar, dass sowohl Publikum wie Protagonisten die Situation völlig falsch eingeschätzt haben. Es kommt zu einer unerwarteten Wendung, die nun stärker an Dürrenmatts «Physiker» denken lässt als an Frommherz’ früheres Stück «Himmelspforte».

Die Ensembleleistung der sieben Laienspieler ist beachtlich, wobei bei der Premiere die Sprecheinsätze noch nicht ganz synchronisiert wirkten. Regisseur Stephan Grossenbacher versuchte, die Bühne so gut als möglich zu nutzen. Das gesamte Stück kann als fintenreiche Groteske bezeichnet werden, der manchmal die dramatischen Zuspitzungen und längeren intimen Monologe fehlen, die einem Theaterstück den optimalen Spannungsbogen verleihen. Trotzdem ist «Netzwerk» ein ernst zu nehmender Beitrag zur Frage, ob sich die Welt durch Ideen ändern lässt. Hier zeigt sich natürlich auch der Politiker Christoph Frommherz, der als Vertreter der Grünen seit 2013 zum zweiten Mal im Landrat des Kantons Basel-Landschaft sitzt. Auch in seinen Stücken «Sesseltanz», «Gigantenhochzeit» und «Der Staatspräsident» geht es um Fragen zu Politik und Wirtschaft.

Letzte Aufführungen von «Netzwerk»: Rudolf Steiner Schule Münchenstein, Fr 28. 11, Sa 29. 11. 2014, jeweils 20 Uhr.

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