«Wir verlangen eine Klärung, wie weit die Gemeindeautonomie geht»

Münchenstein zieht das Nein des Baselbieter Regierungsrats zur Einführung der Mehrwertabgabe vor das Kantonsgericht. Gemeindepräsident Giorgio Lüthi (CVP) erklärt, warum er mit der Argumentation der Regierung nicht einverstanden ist.

Nimmt Stellung: Gemeindepräsident Giorgio Lüthi.  Foto: Archiv/Lukas Hausendorf
Nimmt Stellung: Gemeindepräsident Giorgio Lüthi. Foto: Archiv/Lukas Hausendorf

Wochenblatt: Der Regierungsrat hat per Beschluss vom 23. September die kommunale Mehrwertabgabe, wie sie Münchenstein mit grossem Mehr an der Gemeindeversammlung vom 18. September 2013 beschlossen hat, abgelehnt. Überrascht Sie dieser Entscheid?

Giorgio Lüthi: Überhaupt nicht. Ich sagte schon an der Gemeindeversammlung, dass es in dieser Sache noch keinen Gerichtsentscheid gibt und es daher nicht schlecht sei, dies endlich auch einmal zu klären.

 

Der Regierungsrat leitet aus dem Nichteintretensvotum des Landrats im Jahr 1997 zur Einführung eines Planungsmehrwertabgabegesetzes ab, dass der Gesetzgeber im Kanton eine solche Abgabe nicht einführen will. Eine gewagte Interpretation, zumal dies nun durch das revidierte Raumplanungsgesetz des Bundes vorgegeben wurde.

Giorgio Lüthi: Der Landratsbeschluss ist keine abschliessende Regelung. Die Gemeinden haben just dann gesetzgeberische Kraft, wenn es im kantonalen Recht eine Lücke hat. Der Regierungsrat verkennt hier, dass es sich um eine solche Lücke handeln könnte, was nun das Gericht beurteilen muss. Und auch den Vorhalt, die Gesetzgebungskompetenz im eidgenössischen Raumplanungsgesetz komme den Kantonen zu, lassen wir nicht gelten. Der Bund richtet sich immer an die Kantone.

 


In seinem Beschluss begründet der Regierungsrat seinen negativen Entscheid aber auch damit, dass die Einführung einer Mehrwertabgabe keine Gemeindekompetenz sei.

Giorgio Lüthi: Da lohnt es sich, die Interpretation des Bundesgesetzes in anderen Kantonen anzusehen. Dort gibt es sogar Musterregelungen für Gemeinden, etwa im Aargau oder in Bern. Zudem handelt es sich bei der Mehrwertabgabe ganz klar um einen Bestandteil der Raumplanung, und da meinen wir, das fällt eindeutig unter die Gemeindeautonomie. Das wollen wir jetzt vom Gericht beurteilt haben. Übrigens hat Landrat Hans Furer (GLP), der zu diesem Thema dissertiert hat, einen Vorstoss eingereicht und ist auch der Meinung, dass wir im Recht sind. Was wir hier machen, ist keine Zwängerei. Wir verlangen eine Klärung, wie weit die Gemeindeautonomie geht. Das führt letztlich auch zu mehr Rechtssicherheit.

 


Und was ist mit dem Vorwurf, die von Münchenstein beschlossene Regelung entspreche inhaltlich nicht den bundesrechtlichen Vorgaben?


Giorgio Lüthi: Uns wird seitens des Kantons eine «Einzelfallgesetzgebung» unterstellt. Demnach hätten wir unsere Mehrwertabgabe speziell auf den Fall Läckerli-Huus abgestimmt. Dies trifft nicht zu, da diese Mehrwertabgabe für alle gilt.

 


Warum glauben Sie nun, dass das Kantonsgericht zu einem anderen Schluss kommt, als der Regierungsrat?


Giorgio Lüthi: Dieser Grundsatzentscheid zur Gemeindeautonomie ist auch für den Regierungsrat wichtig. Gerade wenn man an das neue Gemeindestrukturgesetz denkt, müssen solche Fragen geklärt sein. Und wir haben uns bei der Erarbeitung der Vorlage mehr als nur einen Juristen konsultiert. Auch der Verein für Landschaftsplanung in Bern hat uns beraten. Unserer Ansicht nach ist die kommunale Mehrwertabgabe rechtlich in Ordnung. Sie müsste gültig sein, so lange der Kanton keine eigene Abgabe eingeführt hat, wozu ihn das neue Raumplanungsgesetz ja verpflichtet hat. Vielleicht hat unser Vorpreschen den politischen Prozess ja beschleunigt, aber bis es so weit ist, dauert es beim Kanton noch mindestens ein Jahr.

 


Drohen Münchenstein finanzielle Ausfälle, wenn das Kantonsgericht den Entscheid des Regierungsrats stützt?


Giorgio Lüthi: Bei der zunehmenden Verdichtung entfallen für die Anpassung der Infrastruktur und Erschliessung von Gebieten horrende Kosten an, die bezahlt werden müssen. Da kann man sich fragen, ob das ausschliesslich die Gemeinde berappen muss. Es gibt auch andere Lösungen. Reinach macht Infrastrukturverträge zur Voraussetzung eines Quartierplans. Das haben wir seinerzeit auch mit der Christoph Merian Stiftung auf dem Dreispitzareal gemacht. Sonst wären da Kosten in der Höhe von 25 Millionen Franken für die Gemeinde angefallen.

 


Warum ist dann die Mehrwertabgabe für Münchenstein so wichtig?

Giorgio Lüthi: Wir stehen vor einer Zonenplanrevision, die im zweiten Halbjahr 2015 aller Voraussicht nach vor den Regierungsrat kommt. Da wird es zu einigen Änderungen kommen, die für die Mehrwertabgabe relevant sein können.

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