Junge Bühne Dornach auf der Suche nach Heimat und Identität

«Wir leben ewig» – mit diesem Stück feierte die Junge Bühne Dornach ein kleines Jubiläum. Zum fünften Mal schon durfte die jugendliche Schauspieltruppe eine Theaterpremiere feiern.

Tanzeinlage: Im Stil der US-amerikanischen Ur-Girlgroup The Andrews Sisters aus den swingenden 1940er-Jahren begeisterten auf der Goetheanum-Bühne Maria Minguer, Rosalie Völlmin und Samira Kleiber als «Berry Sisters».  Foto: ZVG/Jonathan Böttich
Tanzeinlage: Im Stil der US-amerikanischen Ur-Girlgroup The Andrews Sisters aus den swingenden 1940er-Jahren begeisterten auf der Goetheanum-Bühne Maria Minguer, Rosalie Völlmin und Samira Kleiber als «Berry Sisters». Foto: ZVG/Jonathan Bötticher

Seit 2014 studiert die Junge Bühne jedes Jahr ein Theaterstück ein. Die Aufführungen sind bereits zu einem festen Bestandteil des Kulturangebots der Region geworden. In den ersten Jahren orientierte man sich noch an Klassikern: Shakespeare, Schiller, Ibsen und Molière. Leicht durchbrochen wurde das Konzept im letzten Jahr, als die Regisseurin Figuren aus verschiedenen Molières-Stücken im Schauspiel «Palais Royal» gekonnt zusammenführte.

Nun ging man einen Schritt weiter: Das Stück «Wir leben ewig» schrieb Andrea Pfaehler gleich selber. Damit gab es im Goetheanum nicht einfach eine Premiere, sondern gar eine Uraufführung zu erleben. Im Programmheft heisst es dazu, es sei an der Zeit, dass man sich mit dem in den letzten Jahren entwickelten Stil des Ensembles in die Gegenwart versetze.

Die Geschichte rund um eine Kette
Wobei die Gegenwart auch Rückblenden einbezieht. Die Handlung setzt in der Gegenwart ein, wo ein junges Liebespaar die Geschichte einer Halskette erzählt, die über Generationen weiter- gegeben wurde. Erster Besitzer war der Jude Levi Singer, der kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges an die Nazis verraten und erschossen wurde. Die Kette gelangt über dessen Freundin an deren Sohn und schliesslich an den Enkel. Die Nazi-Gräuel werden allerdings nur am Rande gestreift, denn die Freundin Levis, Ella von Mengershausen, hatte zwecks Tarnung auch Beziehungen mit Nazis. Schwanger zieht sie schliesslich mit einem US-Offizier in die Vereinigten Staaten. Ihre Erlebnisse hält sie in einem Tagebuch fest, das später ihr Sohn zu lesen kommt. Die Lektüre verunsichert diesen zutiefst, weiss er doch nicht mit Sicherheit, welcher dieser Männer sein leiblicher Vater ist.

Das Stück spielt in den Städten Ber-lin, New York und Kairo. Es bringt Juden, Christen und Muslime zusammen. Und es schildert die Verunsicherung, welche die freiwillige oder erzwungene Emigration mit sich bringt. Geschickt verbindet die Autorin die Frage nach Heimat mit existenziellen Fragen wie: «Wer bin ich? Woher komme ich?» Die jungen Schauspieler überzeugen mit ihrer Spielfreude und ihrem mimischen Können. Die Zeitsprünge im Stück ermöglichen auch Einblicke in die Jugendkultur der Nachkriegszeit: amerikanischer Jazz im Berlin um 1945, Rock ’n’ Roll der späten 1950er-Jahre in New York.

Drama und Musical in einem
Und die junge Truppe spielt nicht nur grandios auf. Sie ist auch tänzerisch auf der Höhe. An einem Ball der Nazis wird Walzer getanzt, später zu Jazz-Rhythmen und dann zu Songs von Elvis Presley und Bill Haley. Das Stück hat Tempo, Tiefgang ebenso wie Witz. Nachdenkliches folgt auf fast slapstickhafte Passagen und Tanzeinlagen. Trotzdem wirkt das Ganze nicht aufgesetzt, sondern wie aus einem Guss. «Wir leben ewig» spannt den Bogen in die Neuzeit: Aus Nazi-Flüchtlingen sind Migranten aus Kriegsgebieten im Nahen Osten geworden. Dies bildet auch den Rahmen der Handlung: Die junge Ägypterin Medina verliebt sich in den jungen Berliner Paul, dem sie die wechselvolle Geschichte ihrer Kette erzählt.

«Wir leben ewig» wird im Grundsteinsaal des Goetheanums gezeigt, Vorstellungen sind am 7./8./21./22. September (jeweils um 19.30 Uhr) sowie an den Sonntagen 9. und 23. September (jeweils um 16.30 Uhr).

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