Utopie humaner Herrschaft

Am Dienstag präsentierte neuestheater.ch die Premiere von Mozarts «La Clemenza di Tito». Eine brisante Kontrastfolie zur derzeitigen Unversöhnlichkeit autokratischer Herrscher.

Das Ensemble gross in Szene gesetzt (v. l.): Meike Hartmann als Servilia, Silke Gäng als Annio, Nino Aurelio Gmünder als Tito, Solenn’ Lavanant Linke als Sesto, Daniel Reumiller als Publio und Maya Boog als Vitellia.  Foto: ZVG
Das Ensemble gross in Szene gesetzt (v. l.): Meike Hartmann als Servilia, Silke Gäng als Annio, Nino Aurelio Gmünder als Tito, Solenn’ Lavanant Linke als Sesto, Daniel Reumiller als Publio und Maya Boog als Vitellia. Foto: ZVG

Thomas Brunnschweiler

Die als feudales Auftragswerk entstandene Oper «La Clemenza di Tito» («Die Milde von Titus») ist kein duckmäuserisches Herrscherlob, sondern ein der Aufklärung verpflichtetes «Lehrstück über die Macht der Ohnmacht». Es geht um Liebesverzicht und Liebesverstrickungen, um die Verschwörung gegen Kaiser Titus und um die subversive Aushebelung des machiavellistischen Prinzips, wonach der Despot aus Staatsräson Verschwörer hinrichten muss, um seine Autorität zu wahren. Für Regisseur Georg Darvas ist Titus’ Milde eine Utopie, ein politischer Appell Mozarts. «Bringt es doch mal zusammen, seid doch ganze Menschen und spaltet euch nicht, das ist brandaktuell, finde ich», schreibt Georg Darvas. Dass der Verzeihende auf sein Glück verzichtet und für die Humanität einen hohen Preis bezahlt, legt auf das Ende der Oper den Schleier der Melancholie.

Grosse Oper auf kleiner Bühne …

Was Kaiserin Maria Ludovica 1791 als «deutsche Schweinerei» bezeichnete, ist ein emotionaler Vulkan, aus dem Hass, Liebe, Reue und Verzeihen herausbrechen. Georg Darvas und Dramaturg Hans J. Ammann haben trotz einfacher Inszenierung den effektiven Rahmen für die Gefühlsausbrüche geschaffen. Das Publikum sitzt dort, wo sonst die Bühne ist, und schaut an eine Wand mit drei Etagen, welche die sozialen Ebenen widerspiegeln. Die Lichtgestaltung unterstreicht die Symbolik der Stücke. Ganz oben befindet sich der Kontrollraum von Hauptmann Publio, der als «Big Brother» identifiziert werden kann.

Stühle, Plastikfetzen und ein einfacher Kranz reichen als Requisiten für ein Kammerspiel, das in der kammermusikalischen Besetzung des Orchesters seine Entsprechung findet. Johannes Keller dirigiert ruhig, präzise und verhindert, dass die Tempi zu kleben beginnen. «Ich finde es eindrücklich, wie viel direkte Energie das hochdifferenzierte Spiel der Musiker entwickelt», sagte ein opernerfahrener Besucher. Anstelle der Ouvertüre spricht Andrea Pfähler zu Beginn aus dem Off die Stimme der Königstochter Berenice.

… mit Weltklasse-Gesang

Nino Aurelio Gmünder hatte als Tito mit imperialem Tenor eine starke Bühnenpräsenz. Maya Boog brillierte als Vitellia – trotz leichter Indisposition, die sich in den tieferen Lagen etwas bemerkbar machte – durch eine souveräne Meisterung der hohen Lagen und den glühenden Kern ihrer Stimme. Solenn’ Lavanant Linke überzeugte als Sesto gesanglich wie mimisch und erhielt nach ihrer Verzweiflungsarie Szenenapplaus. Auch Meike Hartmann als Servilia und Silke Gäng als Annio fielen gesanglich nie ab, wie überhaupt alle Stimmen gut zueinanderpassen. Daniel Reumiller sang Publio teilweise schon mit dem Gestus eines Sarastro. Das «Carmina Vokal Ensemble» von Ly Aellen zeigte eine subtile, homogene Leistung. Die zeitenthobenen Bühnenkostüme von Jessica Kube lockern die Strenge des Raums auf. Am Ende brach bei stehenden Ovationen ein veritabler Beifallstsunami los. Ein berührender Opernabend.

«La Clemenza di Tito», Oper vonWolfgang Amadeus Mozart, Aufführungen: <link http: www.neuestheater.ch>www.neuestheater.ch

Tickets gewinnen! 
Für die Vorstellung vom Freitag, 9. Dezember, verlost das «Wochenblatt» 2 × 2 Tickets. Einfach an wettbewerb@wochenblatt.ch eine E-Mail senden mit dem Stichwort «La clemenza di Tito». Einsendeschluss ist der Sonntag, 4. Dezember. Name, Adresse und Telefonnummer nicht vergessen. Viel Glück!

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