«Paulus» aus hundert Kehlen gesungen

Nach einer Aufführung in der Martinskirche Basel sang der Studienchor Leimental das Oratorium «Paulus» von Felix Mendelssohn auch in Dornach im Goetheanum.

Die Proben haben sich gelohnt: Der Studienchor Leimental, das Barockorchester Capriccio und die Solisten unter der Leitung von Sebastian Goll im Goetheanum Dornach.
Die Proben haben sich gelohnt: Der Studienchor Leimental, das Barockorchester Capriccio und die Solisten unter der Leitung von Sebastian Goll im Goetheanum Dornach.

Die Steinigung des Stephanus – der Wandel vom zornigen Saulus zum gläubigen Paulus – der Sopran mal als Gottes, mal als Christi, mal als Engels Stimme – Sopran- und Tenorsolo wechselweise als Evangelisten – die Chöre als Volk, Engel, Christus, Christen, Juden, Heiden. Die Rollenwechsel sind auch für den Hörer nicht leicht nachvollziehbar. Umso zugänglicher Mendelssohns Musik mit den starken Affekten von Klage und Erlösung, von Glaubenskampf und Versöhnlichkeit. Sie hat ihre Kraft und Ursprünglichkeit in den 180 Jahren seit der Düsseldorfer Uraufführung bewahrt.
So konnte der von Sebastian Goll seit einem Dutzend Jahren geleitete Studienchor Leimental bei der sonntäglichen Aufführung im Goetheanum auf eine grosse Gefolgschaft zählen. In Scharen erklommen die Paulus-Anhänger den Anthroposophen-Hügel.


Romantisch fülliges Klangbild

Reihe um Reihe stellte sich der Chor auf, bis die letzte Lücke der Stimmen auf dem Bühnengerüst geschlossen war. Entsprechend die deutsche Aufstellung des Barockorchesters Capriccio mit den seitlich geteilten ersten und zweiten Violinen, den Bratschen und Celli in der Mitte. Die um einen Viertelton tiefer gestimmten Instrumente mit Traversflöten, Barockoboen, Naturhornquartett und ventillosen Trompeten (ohne Klarinetten und Orgel) zeichneten eher ein leuchtend-filigranes denn ein romantisch-fülliges Klangbild. Unter den Bläsern setzten die Hornistinnen mit ihren wechselnden Stimmbügeln und die schmetternden Trompeten naturnahe Glanzlichter auf. Mehr orchestrale Klangfülle hätte die Intonation der Chöre wie die Macht der christlichen Botschaft bis zum erlösenden Quartsextakkord noch eindrücklicher demonstrieren können.
Die Aufführung des mit 45 Nummern reich befrachteten Chorwerks war geprägt durch eine innere Geschlossenheit zumal in den polyphonen Vokalpartien. Kompakt und subtil sang der Grosschor die Choräle, die Mendelssohn in Anlehnung an das Vorbild Bach als homophone Ruhepunkte gesetzt hatte. Die Männer beherrschten das Mittelfeld, dazu bildeten die Aussenstimmen der Frauen eine organisch gefügte Klammer. Ein längerer Nachhall als die für das Sprechtheater geeignete Saalakustik hätte den Gesamtklang zusätzlich gerundet und erwärmt.


Engelspartie

Gut besetzt waren die Solopartien: glanzvoll die Stimme der ukrainischen Sopranistin Christina Daletska, zurückhaltend die Altistin Anja Kühn in der kleinen Engelspartie, vor allem in den Rezitativen agil gestaltend der Dresdner Tenor Marcus Ullmann und mit kerniger Bariton-Stimme der Augsburger Maximilian Lika in der Titelpartie. Sebastian Goll hatte ganze Einstudierarbeit geleistet und behielt die Oberhand mit klarer Zeichengebung, die die dynamische Bandbreite noch stärker hätte betonen dürfen. Etwas irritierend wirkten seine Stabwechsel von der schlagenden Rechten zur ruhenden Linken.
Der Beifall war stark und lang. Die üppigen Blumensträusse für die Solisten passten aufs Schönste zum Blust der Bäume, der den Wetterlaunen trotzte.

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