«Lieber tot, als ohne Dich zu leben!»

Die Junge Bühne suchte das Wagnis: Sie wählte für die diesjährige Aufführung beim Goetheanum die Tragödie «Die Räuber» von Friedrich Schiller aus und spielte unter freiem Himmel. Der tosende Applaus gab ihr recht.

Die ganze Leidenschaft auf die Bühne gebracht: Die «Junge Bühne», 13- bis 18-jährige Schüler von Privat- und Staatsschulen, führt Friedrich Schillers «Räuber» auf – zum letzten Mal diesen Freitag und Samstag, jeweils 20 Uhr. Foto: Christo
Die ganze Leidenschaft auf die Bühne gebracht: Die «Junge Bühne», 13- bis 18-jährige Schüler von Privat- und Staatsschulen, führt Friedrich Schillers «Räuber» auf – zum letzten Mal diesen Freitag und Samstag, jeweils 20 Uhr. Foto: Christoph Weisse

Bea Asper

Ein Klassiker, über 200 Jahre alt und eines der ersten Werke des nach Goethe berühmtesten Schriftsteller Deutschlands: «Die Räuber», düster wie die Zeit, als Friedrich Schiller auf Befehl des Herzogs die Karlsschule in Stuttgart besuchen musste, die ein Ort der Strenge und des militärischen Drills war. Den Buben wurde der Kontakt zur Familie fast verunmöglicht und zu Mädchen strikt unterbunden. Und in den Wäldern gingen Räuber auf Streifzüge.

Vom Drinnen nach draussen
Weit weg von der heutigen Jugend? Lange her – und doch aktueller denn je? Die 13- bis 18-jährigen Schülerinnen und Schüler von Privat- und Staatsschulen, die am Goetheanum in Dornach einen Kurs für Schauspielerei besuchen, wollten kein anderes Stück als diese Tragödie, erzählt Regisseurin Andrea Pfähler. Vor einem Jahr brachten die Schülerinnen und Schüler der Jungen Bühne das Publikum mit Shakespeare zum Lachen. Für die diesjährige Aufführung auf der Wiese hinter dem Goetheanum wagten sie sich an Düsteres – und sie sollten recht behalten: Das Publikum war tief getroffen, es stockte ihm der Atem, hunderte Besucherinnen und Besucher harrten in der nächtlichen Kälte aus (sie hätten sich wohl auch von Regen nicht beeindrucken lassen) und brachen zum Schluss in Begeisterungsstürme aus.

Tosender Applaus für die Darsteller und für Andrea Pfaehler, Bravo-Rufe und in den persönlichen Gesprächen tief anerkennende Worte – und in der Stimme mitschwingend die Vorfreude auf das nächste Stück. Die Bühne vom angenehmen Drinnen nach draussen zu verlegen, «war ein grosser Schritt, ein gewagter», räumt Pfaehler gegenüber dem «Wochenblatt» ein. Während der Proben des Schiller-Stücks «Die Räuber», in dem angehende Akademiker 1781 in den Gassen für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen, «wurde der Gedanke ans Freilicht-Theater immer stärker», sagt Pfaehler.

 Dank grosser Unterstützung von Torsten Blanke und Sponsoren sowie mit vereinten Kräften sei es gelungen, in Form von Holzpaletten Bühne und Tribüne kostengünstig zu realisieren. Und weil die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler das Stück selber gewählt und mit grossem Elan und hoher Konzentration geprobt hätten, wurde die Tragödie für die Junge Bühne zu einer Erfolgsgeschichte, freut sich die passionierte Bühnenkünstlerin.

Mord bleibt Mord
Um den Glauben an sich selbst hatte Schiller bei diesem anonym erschienenen Stück gerungen. Nicht im Traum hatte er an eine Aufführung gedacht. «Es mag beym ersten in die Hand nehmen auffallen, dass dieses Schauspiel niemals das Bürgerrecht auf dem Schauplatz bekommen wird», schrieb er. Doch als das Stück 1782 in Mannheim uraufgeführt wird, wird es zum Erfolg für den unbekannten Autor. Seine Anklage der Doppelmoral war in der damaligen «Sturm und Drang»-Epoche durchaus problematisch – Literatur wurde oft zensiert, um revolutionäre Gedanken zu unterbinden.

Doch Schillers Werk überstand die Zensur und der junge Dramatiker, der heimlich Tabak schnupfte, verliess das Gelände der Akademie, um der Aufführung beizuwohnen. Der Herzog bestrafte ihn mit einem vierzehntägigen Arrest. Um die Auflehnung gegen ein totalitäres System, in dem Schiller gefangen war, handelt das Stück, doch eben auch um Familiengefühle, um die aufrichtige Liebe, um Neid, Hass und Gier. Und die Moral der Geschichte: Mord bleibt Mord, eine zu verabscheuende Tat und ein Unrecht, auch wenn es im Kampf für das Gute, für Freiheit und Gerechtigkeit geschah.

Brüderkampf
Am Anfang der Geschichte stehen zwei Brüder und ein reicher Vater, der den einen Sohn (Karl) lieber hat als den andern. Dies stachelt den Franz zu Boshaftem an und es gelingt ihm, das Erbe an sich zu reissen und den Karl ins Verderben zu treiben; so wird aus dem angehenden Akademiker der Anführer einer Bande, die mit ihren Waffen von Reich zu Arm umverteilt und vor dem Töten nicht zurückschreckt. Hass zwischen den Brüdern gab es auch wegen der schönen, treuen Braut des eigentlich grundehrlichen Karl, die am Ende ihren Geliebten anfleht, sie zu töten, damit sie nicht ohne ihn leben muss.

 Den Franz zu spielen, dieser Gedanke sei ihm anfangs schwergefallen, meint Fabian Welsch, «doch im Verlauf der Proben merkte ich, dass der erste Ansichtspunkt niemals vollkommen sein kann.» Anfängliche Bedenken hatte auch Wolfram Sonnleitner in der Rolle des Karl: «Jeden Montagabend der Weg zum Goe-theanum … würde man glauben. Doch wenn ich dort ankam und wir mit den Proben begannen, machte es mir jedes Mal extrem viel Freude, mit diesen Menschen zusammenzuarbeiten.»

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