Erdgas-Hochdruckleitung im Tal: Der Ball liegt bei der Gemeinde

Am Table Ronde des Gewerbevereins zur Erdgas-Hochdruckleitung wurden Versäumnisse seitens der Gemeinde und des Kantons offensichtlich.

Verlauf mit Signalfarbe markiert: Die Erdgas-Hochdruckleitung verunsichert die Anlieger im Arlesheimer Gewerbegebiet.  Foto: Thomas Kramer.
Verlauf mit Signalfarbe markiert: Die Erdgas-Hochdruckleitung verunsichert die Anlieger im Arlesheimer Gewerbegebiet. Foto: Thomas Kramer.

Mit vielen Fragenzeichen kamen die Gewerbetreibenden und Landbesitzer im Tal am Montagabend ins Forum Würth an den Table Ronde des Arlesheimer Gewerbe- und Industrievereins (AGIV). Viele Fragen konnten von den Experten von Bund, Kanton und Gemeinde in diesen zwei Stunden beantwortet werden. Doch genauso viele Fragen blieben ungeklärt. Sinnbildlich blieb am Ende die Frage eines KMU-Vertreters gänzlich unbeantwortet, was er mit seinem geplanten Bauprojekt nun machen soll. Zuwarten oder loslegen? «Kommen Sie zu mir und wir schauen das an», antwortete lediglich Hans Wach, Geschäftsführer des Gasverbunds Mittelland als Besitzerin der Gasleitung.

Koordinationspflicht vernachlässigt

Die Rechtsunsicherheit ist zurzeit das grösste Problem der Landbesitzer. Einige haben Bauprojekte in der Pipeline, die aufgrund der Gasleitung blockiert sind. Zudem steht die Frage der Haftung im Raum, da das betroffene Land aufgrund der baulichen Einschränkungen markant an Wert verloren hat. Christoph Nertz, Anwalt der Gewerbepensionskasse, die zwischen Schorenweg und Birs 55000 Quadratmeter Land besitzt, kann sich durchaus vorstellen, dass es zu Entschädigungsklagen kommt. «Offen aber ist, wer haftbar gemacht werden kann. Deshalb stellt sich für mich auch die Schuldfrage.» Martin Merkhofer, Leiter der Sektion Störfallverordnung beim Bundesamt für Umwelt, sieht die Verantwortung bei Kanton und Gemeinde. «Bei solchen Fällen besteht laut Gesetz die Koordinationspflicht. Diese wurde sowohl vom Kanton wie auch von der Gemeinde vernachlässigt, wobei der Kanton für die Koordination hauptverantwortlich ist.» Konkret: Die Gemeinde habe es versäumt, im Rahmen der Zonenplanrevision die ausserordentliche Situation der Gasleitung und der betreffenden Störfallverordnung, die seit 2013 besteht, miteinzuziehen. «Auch der Kanton hat dies bei seiner ersten Prüfung nicht kommen sehen», erklärte Merkhofer. Ein behördliches Versagen zulasten der Gewerbetreibenden und Landbesitzer.

Falsche Angaben des Regierungsrats

Als der Kanton bei der definitiven Prüfung des revidierten Zonenplans auf die Sachlage doch noch aufmerksam wurde, verpflichtete er im Sommer 2017 die Gemeinde, den Grundeigentümern eine Verfügung zu schicken, die im Abstand von 130 Metern zur Gasleitung personenintensive Nutzungen verbietet. In dieser Zone besteht bei einem Schadensfall die Wahrscheinlichkeit für Todesopfer bei 50 Prozent. Dies sorgte bei der Gewerbepensionskasse für Ärger, sagt dessen Vertreter Martin Wechsler. «Es gibt im Gesetz keinen derartigen Passus zu personenintensiven Nutzungen.» Martin Merkhofer vom Bundesamt für Umwelt stimmte ihm zu. Auch stimmen die 130 Meter nicht, stellte er klar. «Der Konsultationsbereich betrifft in Wirklichkeit 100 Meter. In dieser Zone ist die Gefahr für folgenschwere Schäden bei Störfällen gross.» Die vom Baselbieter Regierungsrat kommunizierten 130 Meter seien tatsächlich falsch, gab Daniel Egli-Tedesco, Inspektor beim Baselbieter Sicherheitsinspektorat, zu. Martin Wechsler fordert anstelle einer generellen Regelung die Betrachtung im Einzelfalle. Er hat gegen die Verfügung Beschwerde vor Gericht eingereicht.

Um die Gefahr der Gasleitung zu reduzieren, sind flankierende Schutzmassnahmen bei der Gasleitung mit Betonabdeckungen oder gar neue Leitungen möglich. Möglich sind auch Verstärkungen an den geplanten Gebäuden. Zudem müssen die Bauprojekte so gestaltet werden, dass sich die personenintensiven Nutzungen abseits der Gasleitung befinden. Die Uptown Basel AG um Arealentwickler Hans-Jörg Fankhauser hat ihr Industrie 4.0-Projekt, das auf dem Schorenareal gegen 1000 Arbeitsplätze im Hightech-Bereich vorsieht, bereits von der Gasleitung weg hin zur Industriestrasse verschoben.

Ergänzungsbestimmungen angekündigt

Der Kanton und die Gemeinde sind nun gefordert, der verpassten Koordinationspflicht nachzukommen. Der Ball liege bei der Gemeinde, bestätigten Gemeinderat Daniel Wyss und Bauverwalter René Häner. Beide kündigten eine Ergänzungsbestimmung für den Zonenplan an, in der der Konsultationsbereich klar definiert wird. Die Anpassung soll noch dieses Jahr an einer Gemeindeversammlung genehmigt werden. Die Landbesitzer brauchen weiter Geduld.

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