Mit dem Rollstuhl ans Ende der Welt

Walter Beutler aus Arlesheim besuchte Anfang 2015 zum dritten Mal im Rollstuhl Indien. Er hat seine Erfahrungen in einem lesenswerten Buch festgehalten, das weit mehr ist als ein trockener Reisebericht.

Der geneigte Leser fragt sich: Wie weiter? Walter Beutler mit seinem Swiss-Trac in Pushkar, Rajastan, vor einem Hindernis.  Foto: ZVG/Beat Schaub
Der geneigte Leser fragt sich: Wie weiter? Walter Beutler mit seinem Swiss-Trac in Pushkar, Rajastan, vor einem Hindernis. Foto: ZVG/Beat Schaub

Thomas Brunnschweiler

Auf seinen Indienreisen hat Walter Beutler Strapazen auf sich genommen, die mancher «Fussgänger» nicht freiwillig auf sich nehmen würde. Aber er mag es nicht, wenn man ihn dafür für mutig oder gar tapfer hält. Überhaupt mag er den Behindertenbonus nicht. Er hat ihn auch nicht nötig, denn sein Buch «Mit dem Rollstuhl ans Ende der Welt» ist sprachlich und inhaltlich so brillant, dass der Aspekt der Behinderung zur Nebensache wird. Mit drei Jahren erkrankte Walter Beutler an Kinderlähmung, wuchs im Spital und in Heimen auf, brach sein Studium ab und arbeitete als Korrektor, Lektor und Übersetzer. Heute ist er freischaffender Autor, Blogger und Kolumnist. «Ich suche meinen Ausdruck in der Sprache», sagt der in sich ruhende Mann im Rollstuhl.

Indien als Grenzerfahrung

Die Reise vom Januar bis April war Beutlers dritte Indienfahrt. Wiederum war Auroville in Südindien die Ausgangsbasis. Der erste Teil der Reise führte durch Südindien. «Es ist schwierig, als Individualtourist und erst noch im Rollstuhl zu reisen», sagt Beutler, «es gibt viele Hindernisse, angepasste Übernachtungsmöglichkeiten sind selten.» In Auroville hatte der Reisende einen Bungalow, der frei zugänglich war. «Duschen ist in Indien einfacher als in Europa. Es gibt keine Duschkabine, nur eine Garnitur mit Abfluss. Ein Plastikstuhl dazu – und schon kann man duschen.» Beutler schätzt nichts höher als seine Autonomie. «Reisen in Indien bedeutet für mich Autonomieverlust», erklärt er, «ich bin auf Chauffeure und Helfer angewiesen. Zudem bin ich mit Rollstuhl und Swiss-Trac, dem Zuggerät, stets von neugierigen Menschen umgeben, die wohlwollend und hilfsbereit sind.» In Ooty, einem Bergkurort, fragte jemand, ob der Swiss-Trac «with battery oder petrol» angetrieben werde. Als Walter Beutler über den Markt fuhr, hörte er wie ein dutzendfaches Echo von allen Seiten «With battery!». «Ein magischer Moment für mich auf diesem Markt», schreibt er. Im Norden war er mit dem Schweizer Beat Schaub unterwegs, der ihm auf der mühsamen Zugfahrt und beim Erklimmen mancher Tempelstiege half. Die Stadt Varanasi im Norden Indiens mit ihren Widersprüchen brannte sich besonders stark in sein Gedächtnis ein. «Dort sah ich im Strassengraben einen Mann, der im Sterben lag, gebettet auf Abfälle und von den Fliegen bereits in Besitz genommen», schreibt er, «niemand kümmerte sich um ihn.»

Informativ und poetisch

Walter Beutlers teilweise poetisches Buch meidet Indien-Klischees, schaut kritisch auf jene Aussteiger, die nur die pittoreske Seite Indiens suchen. Der Autor hinterfragt auch seine eigene Motivation, setzt sich mit seinen Gefühlen auseinander und fragt nach der Zukunft eines Landes, das einerseits bunt, wohlriechend und reich, anderseits trist, stinkend und arm ist. Das schöne Bändchen, das sich auch als Lektüre zur Reisevorbereitung eignet, ist klar und übersichtlich aufgebaut und enthält erhellende Fotos.

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