Berufsbildung als Königsweg

Der ehemalige Preisüberwacher und Ex-Nationalrat Rudolf Strahm zeigte am Freitagabend im reformierten Kirchgemeindehaus den Wert der Berufsbildung auf und informierte über das Bildungssystem der Schweiz.

Engagiert: Rudolf Strahm sprach an dem von der Gemeindebibliothek Arlesheim organisierten Abend über die Bedeutung der Berufsbildung.  Foto: Isabelle Hitz
Engagiert: Rudolf Strahm sprach an dem von der Gemeindebibliothek Arlesheim organisierten Abend über die Bedeutung der Berufsbildung. Foto: Isabelle Hitz

Isabelle Hitz

Rudolf Strahm forderte in seinem gut besuchten Vortrag zu seinem neuen Buch «die Akademisierungsfalle» mehr Anerkennung und Förderung des Nicht-Akademischen Ausbildungswegs. Das duale Bildungssystem, wie es in der Schweiz und in den übrigen deutschsprachigen Länder praktiziert wird, sei einerseits für die geringe Jugendarbeitslosigkeit, andererseits aber auch für die starke wirtschaftliche Stellung der Berufsbildungsländer verantwortlich. Diese weisen im europäischen Vergleich die tiefsten Maturaquoten auf, sind aber zugleich Spitzenreiter in der Industrieproduktion pro Kopf und verfügen über die grösste Exportkraft in Europa.

Der wirtschaftliche Erfolg der Berufsbildungsländer ist laut Strahm im Wesentlichen auf das Berufsbildungsangebot zurückzuführen. Denn die übrigen europäischen Länder, die in die Akademisierungsfalle getappt sind und nur eine Vollzeitausbildung an Universitäten und Fachhochschulen kennen, weisen dramatisch höhere Jugendarbeitslosenquoten auf und sind wirtschaftlich klar schwächer.

Grossartiges Ausbildungsangebot
«Die Jugendlichen in der Schweiz haben ein grossartiges Ausbildungsangebot», betonte Strahm, denn sie haben die Wahl zwischen einer akademischen und einer beruflichen Ausbildung. Im Gegensatz zu früher ist eine Berufslehre heute keine Karriere-Sackgasse mehr, denn im Schweizer Bildungssystem gibt es «keinen Abschluss ohne Anschluss». Wer eine Berufslehre nach drei bis vier Jahren mit einem Fähigkeitszeugnis abschliesst, hat die Möglichkeit, eine eidgenössische Berufs- oder höhere Fachprüfung abzulegen oder sein Wissen an einer höheren Fachschule zu vertiefen.

Auch kann nach bestandener Fachmaturität eine Fachhochschule, Universität oder technischen Hochschule besucht werden. Die höhere Berufsbildung an einer höheren Fachschule sei dabei ebenso hoch zu gewichten wie eine akademische Ausbildung, betonte Strahm. Oft sei das dort vermittelte Wissen sogar aktueller und die Abgänger in Industrie und Gewerbe begehrter als Bewerber mit einem akademischen Hintergrund. Weiter sind Arbeitnehmer mit einer höheren Berufsbildung häufiger in Kaderfunktionen zu finden. Zudem hat sich das Lohnniveau demjenigen von Akademikern angepasst.

«Eine Berufslehre und die anschliessende höhere Berufsbildung ist heute also ein Königsweg», fasst Strahm zusammen. Der Königsweg hat aber auch seine Schattenseiten: Er ist teuer und eine Titeläquivalenz fehlt ebenso wie eine
internationale Einbettung. Dies sollte dringend verändert werden, will die Schweiz weiterhin erfolgreich bleiben. Auch müssten Eltern und Erzieher wissen, dass man auch über die Berufsbildung Karriere machen kann und die Jugendlichen darüber informieren und angemessen begleiten. «Schlüsselfiguren dabei sind die Lehrpersonen», stellt Strahm klar und kritisierte gleichzeitig den Entscheid der beiden Basel, die im Lehrplan 21 das Schulfach «Berufliche Orientierung» nur für ein Jahr und nur mit einer Stunde pro Woche in die Stundentafel nehmen anstatt während dreier Jahre.

Strahm forderte aber auch eine Lenkung im Bildungssystem: Der Mangel an Ärzten, Pflegepersonal und Menschen in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sei hausgemacht durch den Numerus Clausus, ein mangelndes Ausbildungsangebot und die Sprachlastigkeit der Gymnasien und sollte dringend durch eine angemessene Ausbildungspolitik korrigiert werden. «Denn Wirtschaftspolitik ist immer auch Bildungspolitik».

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